LVwG-750267/27/ER
Linz, 09.11.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des O S, geb. x, vertreten durch G S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M F, W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12. Februar 2015, GZ Pol18-212-2014, wegen der Abweisung eines Antrags nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für zwölf Monate beginnend mit dem Ausstellungsdatum erteilt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Bescheid vom 12. Februar 2015, Pol18-212-2014, wies die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (im Folgenden: belangte Behörde), ermächtigt durch den Landeshauptmann von Oberösterreich, den Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) vom 28. August 2014 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz wie folgt ab:
„Dem Antrag des O S, geb. x, Staatsangehöriger aus der Türkei, vom 28.08.2014, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ‘Rot-Weiß-Rot - Karte plus’ wird nicht stattgegeben und der gegenständliche Antrag abgewiesen.
Rechtsgrundlage
§§ 3, 4 in Verbindung mit § 11 Abs. 5 und § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung
BEGRÜNDUNG
(...)
Nach Prüfung der eingereichten Unterlagen geht die Behörde von folgendem Sachverhalt aus: Sie sind türkischer Staatsangehöriger und haben am 28.08.2014 bei der Österreichischen Botschaft Ankara einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung Angehöriger eingebracht. Die Österreichische Botschaft Ankara hat auf Grund des beabsichtigten Wohnsitzes im Bezirk Wels-Land Ihren Antrag zum Amt der oberösterreichischen Landesregierung zuständigkeitshalber weitergeleitet. Nach Durchsicht der beigelegten Unterlagen war klar, dass es sich beim Antrag um einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot - Karte plus handelte und wurde dieser amtswegig abgeändert. Diese Änderung wurde Ihnen mittels Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 31.10.2014 mitgeteilt.
Als zusammenführende Ankerperson haben Sie Ihre Ehegattin G S namhaft gemacht, welcher auch für dieses Verfahren eine Vollmacht erteilt wurde. Ihre Ehegattin ist türkische Staatsangehörige und im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltsrecht für Österreich.
Im Zuge Ihrer Antragstellung gaben Sie an, dass Sie in Österreich eine Erwerbsabsicht beabsichtigen. Diesbezüglich haben Sie eine ‘Arbeitsbestätigung’ der Pizzeria T eingereicht, welche Sie mündlich bereits widerrufen haben. Ein Arbeitsvorvertrag mit der Firma P GmbH ist noch aufrecht.
Ihr Erstantrag wird auf Grund Ihrer beabsichtigen Erwerbsabsicht auch im Hinblick auf das Assoziierungsabkommen EWG - Türkei, konkret mit der . in Artikel 13 des Assoziationsratbeschlusses (ARB) bzw. in Artikel 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls verankerten sogenannten Stillhalteklausel, durchleuchtet.
Die sogenannte Stillhalteklausel in Artikel 13 des ARB 1/80 verbietet somit allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch türkische Staatsangehörige strengeren Voraussetzungen unterworfen werden, als sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ARB im jeweiligen Mitgliedstaat galten. Da Österreich mit 01.01.1995 zur Europäischen Union beigetreten ist, muss nun die günstigere Bestimmung im Sinne der Stillhalteklausel angewendet werden, dies erfolgt nach den Normen des Fremdengesetzes 1997.
Dies bedeutet, dass das Mindestalter von 21 Jahren beider Ehegatten bei der Antragstellung sowie die Erbringung eines Nachweises von Deutschkenntnissen auf A1 Niveau bei der Antragstellung nach dem derzeitigen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bei Ihnen nicht angewendet wird.
Bei Erstantragsverfahren muss für die Bewilligung Ihres Antrages die Zusammenführende Ankerperson, spricht in diesem Fall Ihre Ehegattin, für die notwendigen Unterhaltsmittel aufkommen.
Für ein Ehepaar beträgt der Richtsatz gemäß § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) im Jahr 2015: 1.307,89 Euro. Diesem Betrag sind weiters Kreditrückzahlungen, Mietbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen hinzuzurechnen.
Laut den Einkommensnachweisen der Zusammenführenden Ehegattin im Zeitraum vom Juni 2014 bis November 2014 betrug das Nettoeinkommen 7.373,42 Euro. Dies ergibt ein monatliches durchschnittliches Einkommen in der Höhe von 1.228,90 Euro.
Auf Grund der vorliegenden Einkommensnachweise ohne Abzug der monatlichen Belastungen (Mietbelastung 250,- Euro wird auf Grund des höher angesetzten Wertes der freien Station von 278,72 Euro nicht berücksichtigt) liegt eine Unterschreitung der laut Ausgleichszulagenrichtsätze ab 01.01.2015 gemäß § 293 ASVG in der geltenden Fassung, festgelegten Beträge bzw. Berechnung, von Minus 78,99 vor.
Es besteht somit für die Behörde kein Zweifel, dass der benötigte Richtsatz um den genannten Differenzbetrag unterschritten wurde und daher eine Erteilungsvoraussetzung nicht gegeben ist. Der Differenzbetrag des geforderten Richtsatzes lässt darauf schließen, dass Ihre Ehegattin finanziell nicht in der Lage ist, für Ihren Lebensunterhalt in Österreich aufzukommen.
Darüber hinaus befindet sich Ihre Ehegattin seit 04.01.2015 im Arbeitslosengeldbezug und ist daher von einer derzeitigen negativen Zukunftsprognose auszugehen.
(...)
Nach ha. Aktenstand hatten Sie noch keine Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet. Eine Integration im Bundesgebiet fand daher nicht statt. Sie sind für keine Personen in Österreich sorgepflichtig. Ein Familienleben in Österreich bestand bis dato nicht. Ihre Ehegattin ist türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Österreich.
Sie verbrachten von Geburt an Ihr Leben in der Türkei, daher kann von einem hohen Grad der Bindung zu Ihrem Heimatland ausgegangen werden.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit sowie Verstöße gegen die öffentliche Ordnung kann in dieser Abwägung nicht als Vorteil für den Antragsteller gewertet werden, da keine Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet vorliegen.
Mit einer nachweislich zugestellten Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 20.01.2015 wurde Ihnen mitgeteilt, dass Ihrem Antrag nicht stattgegeben werden kann, auch nicht im Hinblick auf Artikel 8 EMRK.
In Ihrer Stellungnahme vom 09.02.2015 gaben Sie im Wesentlichen an, dass in der aufgestellten Berechnung nur vom Einkommen der Ehegattin ausgegangen wurde. Durch Ihren freien Zugang zum Arbeitsmarkt und den vorgelegten Vorvertrag (Fa. P GmbH) könnten Sie Ihren Verdienst in Österreich nachweisen. Sie ersuchen nochmals um Überprüfung des Sachverhaltes, diesmal unter Berücksichtigung Ihres Einkommens. Zur negativen Zukunftsprognose Ihrer Ehegattin gaben Sie an, dass sie um einen Job bemüht sei, sie bereits einige Probetage absolvierte, welche leider nicht positiv ausfielen. Ihre Ehegattin sei von keiner gesundheitlichen Einschränkung betroffen. Aufgrund ihres jungen Alters und ihrer Bereitschaft eine Beschäftigung aufzunehmen, könnte von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines baldigen Dienstverhältnisses ausgegangen werden.
Die Behörde hat entschieden:
Für die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land besteht kein Zweifel, dass Ihre Ehegattin die zu erreichenden Unterhaltsmittel nicht aufbringen kann. Der für unsere Berechnung maßgebliche Durchrechnungszeitraum war von Juni 2014 bis November 2014. Nach Durchsicht des Versicherungsdatenauszuges Ihrer Ehegattin ist erkennbar, dass sie seit 19.10.2012 mit Ausnahme von gut acht Monaten immer Arbeitslosengeld- bzw. Krankengeld bezogen hat. Natürlich ist es möglich, täglich einen Job zu finden, auf Grund der Vorgeschichte kann jedoch seitens der Behörde von Ihrer erwähnten erhöhten Wahrscheinlichkeit eines baldigen Dienstverhältnisses Ihrer Ehegattin nicht ausgegangen werden. Das Einkommen von einem eventuellen neuen Dienstverhältnis könnte jedoch für die Berechnung nicht sofort herangezogen werden, da es sich laut ständiger Rechtsprechung um ein festes regelmäßiges Einkommen handeln muss. Dieses erreicht man naturgemäß erst nach einigen Monaten durchgehender Erwerbstätigkeit.
Seit 04.01.2015 ist Ihre Ehegattin wieder arbeitslos und erhält derzeit tägliches Arbeitslosengeld in der Höhe von 4,81 Euro. Seit 13.01.2015 bezieht Ihre Ehegattin sogar die bedarfsorientierte Mindestsicherung, insgesamt hat sie bereits 1.216,27 Euro erhalten. Da die bedarfsorientierte Mindestsicherung eine Sozialleistung ist und dadurch nicht als Einkommen gerechnet werden darf, kann man von einem derzeitigen monatlichen Einkommen Ihrer Ehegattin durch Arbeitslosengeldbezug in der Höhe von ca. 144,30 Euro ausgehen. Ihre Ehegattin ist nicht in der Lage, für sich selbst ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Ohne Bezug der Mindestsicherung, welche eine soziale Leistung öffentlicher Hand ist, könnte ihre Ehegattin für ihren Lebensunterhalt nicht aufkommen. Sie wäre derzeit nicht in der Lage, ihre Mietkosten selbst abzudecken.
Bei Erstanträgen muss jedoch der Zusammenführende Ehepartner finanziell für den Antragsteller aufkommen können. Ihre Ehegattin kann derzeit als Zusammenführende nicht für Ihren Lebensunterhalt aufkommen, weshalb eine zwingende Erteilungsvoraussetzung für die Bewilligung Ihres begehrten Aufenthaltstitels fehlt.
Die bereits im Verbesserungsauftrag erwähnte negative Zukunftsprognose hat sich daher sogar noch verstärkt.
Durch das Assoziierungsabkommen EWR - Türkei ist bei türkischen Staatsangehörigen bei beabsichtigter Erwerbsabsicht eine günstigere Rechtslage heranzuziehen. Dies bedeutet, dass beinahe jeder türkische Staatsbürger bei geplanter Familienzusammenführung diese Erwerbsabsicht bekundet, um beispielsweise Deutsch vor Zuzug, spricht das nachweisliche Erreichen des A1 Niveaus der Deutschen Sprache, oder auch das Erreichen des 21. Lebensjahres bei der Antragstellung, zu entgehen. Diesbezüglich konnte in den vergangenen Jahren ein Trend festgestellt werden, wonach vorgelegte Einstellungszusagen zwar für die bekundete Erwerbsabsicht akzeptiert werden mussten, diese jedoch Großteils nach Einreise der Fremden ins Bundesgebiet und Übernahme der Arbeitsbewilligung durch Übernahme des Aufenthaltstitels nicht eingehalten wurden. Es gilt als erwiesen, dass diese Einstellungszusagen oftmals als reiner Gefälligkeitsdienst ausgestellt wurden.
Speziell in Ihrem Fall haben Sie bei der Antragstellung am Formular angegeben, dass sie eine berufsbildende Sekundärschule absolvierten und noch nie gearbeitet haben. Dieses Formular füllten Sie am 25.08.2014 aus. Gleichzeitig reichten Sie im Zuge der Antragstellung bei der Österreichischen Botschaft Ankara eine Erklärung ein, in der sie angaben, dass Sie beabsichtigen, in Österreich einer Erwerbstätigkeit als Koch nachzugehen. Als vorherige Berufserfahrung gaben Sie ‘keine’ an, als Ausbildung gaben Sie Koch an. Ihre Ehegattin reichte am 25.11.2014 ein Arbeitszeugnis nach, in dem hervorgeht, dass sie seit 10.03.2010 bei MK als Koch arbeiten. Ebenfalls am 25.11.2014 reichte Ihre Ehegattin eine Besteigung (wahrscheinlich Bestätigung) vom
08.11.2014 von der Pizzeria T ein, in der geschrieben steht, dass sie, sobald sie in Österreich sind, als Hilfsarbeiter anfangen können.
Nach Durchsicht des aufliegenden Voraktes betreffend Ihrer Antragstellung auf Familienzusammenführung vom 13.09.2012 konnte eruiert werden, dass Ihr Vater sich bereits vor Jahren ebenfalls auf eine Einstellungszusage der Pizzeria T berief, wodurch der Verdacht nahe liegt, dass es sich bei dieser Pizzeria in Bezug auf Ausstellungen von Einstellungszusagen um einen reinen Gefälligkeitsdienst handelt. Dieser Sachverhalt wurde dem Finanzamt Grieskirchen Wels zur Überprüfung übermittelt. Nach mündlichen Informationen über den Stand der Dinge wurde von Ihrer Ehegattin diese Einstellungszusage mündlich zurückgezogen. Bereits einige Tage danach wurde abermals ein Arbeitsvertrag mit Arbeitsbestätigung der Firma P GmbH aus R vorgelegt. In diesem Arbeitsvertrag werden Sie in der Lohngruppe als Facharbeiter eingestuft, mit der Tätigkeit Maler & Anstreicher. In Ihrer Stellungnahme vom 09.02.2015 war abermals ein etwas veränderter Arbeitsvertrag der Firma P GmbH angeschlossen, indem hervorgeht, dass Sie als Malerhelfer angestellt werden sollen. Nach telefonischer Rücksprache mit Ihrer Ehegattin gab diese an, dass es sich beim Chef der Firma P GmbH um den Bruder des Schwagers Ihrer Ehegattin handelt. Von einem neuerlichen Gefälligkeitsdienst darf daher mit gutem Grund ausgegangen werden.
Ihre unterschiedlichen Angaben und Widersprüchlichkeiten lassen darauf schließen, dass hinsichtlich Ihrer begründeten beabsichtigen Erwerbstätigkeit wenig Seriosität dahintersteckt, sondern sie scheinbar alles daran setzten, dass Sie bei der Antragstellung auf das Vollendete 21. Lebensjahr sowie den Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse auf A1 Niveau verzichten wollten. Beide Einstellungszusagen wirken unglaubwürdig, in beiden Fällen liegt der Verdacht einer Gefälligkeitsausstellung nahe. Beide Einstellungszusagen können daher als zukünftiger Einkommensbestandteil zur Erreichung des Haushaltsrichtsatzes nicht herangezogen werden.
Eine Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels ist aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht möglich. Nähere Ausführungen wurden diesbezüglich bereits getätigt.
Durch das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung, insbesondere jener der fehlenden Unterhaltsmittel der Zusammenführenden, war Ihrem Antrag nicht stattzugeben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“
I.2. Gegen diesen, am 17. Februar 2015 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob der Bf rechtsfreundlich vertreten rechtzeitig Beschwerde und beantragte – nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung – die Aufhebung des bekämpften Bescheids und die Erteilung eines Aufenthaltstitels, in eventu die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde. Begründend führte der Bf Folgendes aus:
„Der angeführte Bescheid wird vollinhaltlich wegen
• unrichtiger und unvollständiger Sachverhaltsfeststellungen,
• wesentlicher Verfahrensmängel und
• unrichtiger rechtlicher Beurteilung
bekämpft.
Dazu wird im Einzelnen ausgeführt:
1) Unrichtige und unvollständige Sachverhaltsfeststellungen:
In der Bescheidbegründung wird zunächst angeführt, dass im Erstantragsverfahren für die Bewilligung des Antrages die zusammenführende Ankerperson, in diesem Fall die Ehegattin, für die notwendigen Unterhaltsmittel aufkommen müsse. Laut den Einkommensnachweisen habe das Nettoeinkommen der Ehegattin im Durchrechnungszeitraum von Juni 2014 bis November 2014 € 7.373,42 betragen. Dies ergebe ein monatliches durchschnittliches Einkommen in der Höhe von € 1.228,90 und liege eine Unterschreitung des maßgeblichen Richtsatzes gemäß § 293 ASVG ab 01.01.2015 von Minus 78,99 vor. Für die Behörde bestehe somit kein Zweifel, dass die Ehegattin die zu erreichenden Unterhaltsmittel nicht aufbringen könne, weshalb eine zwingende Erteilungsvoraussetzung für die Bewilligung des begehrten Aufenthaltstitels fehle.
Diese Feststellung ist unrichtig.
Zunächst ist festzustellen, dass bei der Berechnung der Behörde das Einkommen für Dezember 2014 nicht berücksichtigt wurde. Unter Einbeziehung der Sonderzahlungen erhöht sich aber das durchschnittliche Einkommen, sodass eine Unterschreitung des maßgeblichen Richtsatzes gemäß § 293 ASVG nicht vorliegt. Der maßgebliche Richtsatz hat im Jahre 2014 (welches richtigerweise heranzuziehen ist) € 1.286,03 betragen. Unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse im Zeitraum Juni 2014 bis November 2014 lag damit eine Unterschreitung von lediglich € 57,13 vor. In diesem Zusammenhang ist deshalb auf das zur Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ergangene Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 4. März 2010, C-578/08, Rs Chakroun, zu verweisen, in dem der Gerichtshof (unter Rz. 48) zum Ausdruck gebracht hat, dass die Unterschreitung eines vorgegebenen Mindesteinkommens nicht ohne eine konkrete Prüfung der Situation des einzelnen Antragstellers die Ablehnung der Familienzusammenführung zur Folge haben darf. Die Behörde wäre demnach verpflichtet gewesen, eine individuelle Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob der Lebensunterhalt trotz Unterschreitens der gesetzlich normierten Richtsätze gesichert sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung eine nur geringfügige Überschreitung des nach der österreichischen Rechtslage maßgeblichen Richtsatzes nach § 293 ASVG von Bedeutung sein kann (vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, ZI. 2009/21/0002). Bei der konkreten Prüfung der Situation des Antragstellers ließ die Behörde unberücksichtigt, dass die zusammenführende Ehegattin derzeit bei den Eltern lebt und ihr dort keine Mietkosten oder sonstigen Lebenshaltungskosten entstehen. Sie hat somit unrichtigerweise die nach dem angeführten Urteil des Europäischen« Gerichtshofes gebotene Einzelfallprüfung (bei dem bloß geringen Fehlbetrag vori EUR 57,13 monatlich) nicht vorgenommen. Richtigerweise wäre deshalb festzustellen, dass die Ehegattin des Antragstellers über hinreichende Unterhaltsmittel verfügt und damit alle Erteilungsvoraussetzungen für die Bewilligung des begehrten Aufenthaltstitels vorliegen.
(2) Weiters führt die Behörde an, dass sich die Ehegattin seit 04.01.2015 im Arbeitslosengeldbezug befinde und sei daher von einer derzeitigen negativen Zukunftsprognose auszugehen. Auf Grund der Vorgeschichte könne seitens der Behörde nicht von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines baldigen Dienstverhältnisses der Ehegattin ausgegangen werden. Es ist diesbezüglich nicht schlüssig nachvollziehbar, aufgrund welcher konkreten Umstände die Behörde zu dieser ‘negativen Zukunftsprognose’ gelangt. Immerhin war Frau G S zuletzt (von Juni bis Dezember 2014) in einem Arbeitsverhältnis. Dies trotz eines derzeit äußerst schwierigen Arbeitsmarktumfeldes.
In der Stellungnahme vom 09.02.15 wurde überdies vorgebracht, dass die Ehegattin um einen Job bemüht ist und bereits einige Probetage absolvierte. Aufgrund ihres jungen Alters und ihrer Bereitschaft eine Beschäftigung aufzunehmen, könne von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines baldigen Dienstverhältnisses ausgegangen werden. Die Ehegattin hat nunmehr bereits eine neue Beschäftigung gefunden, sodass dadurch die diesbezügliche Annahme und negative Zukunftsprognose der Behörde widerlegt ist. Zum Beweis wird eine Bestätigung der Fa. A in W vorgelegt. Das Einkommen von Frau G S beläuft sich (ohne Sonderzahlungen) auf netto € 1.200,00 monatlich. Richtigerweise wäre somit festzustellen, dass Frau G S nach einem kurzen Arbeitslosengeldbezug rasch wieder eine Beschäftigung gefunden hat und deshalb eine positive Zukunftsprognose zu erstellen ist. Aufgrund der derzeitigen Einkommensverhältnisse ist der Unterhalt jedenfalls sichergestellt.
(3) Nach (unzutreffender) Ansicht der Behörde könne dem Antrag auch nicht im Hinblick auf Artikel 8 EMRK stattgegeben werden. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Ehegattin türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Österreich sei. Der ebenfalls türkische Antragsteller selbst habe allerdings noch keine Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet. Nur unzureichend einbezogen wurde durch die Erstbehörde das gesamte bestehende familiäre und persönliche Umfeld der betroffenen Parteien. Diesbezüglich wurden auch keine ausreichenden Ermittlungen und Erhebungen geführt. Da gegenständliche im Sinne des § 11 Abs. 3 NAG eine eingehende Interessenabwägung durchzuführen ist, kommt Erhebung aller persönlichen und familiären Umstände wesentliche Bedeutung zu. Die Ehegattin des Antragstellers lebt seit ihrem 3. Lebensjahr in Österreich und hat ihre private und wirtschaftliche Existenz ausschließlich in Österreich begründet und hier ihre Familie, sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Insoweit hat sie ihren ausschließlichen Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet. Die Ehegatten haben aus Liebe geheiratet und ergeben sich insgesamt spezielle Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnisse des Antragstellers zu seiner Ehegattin in Österreich, welche eine im Lichte der Rechtsprechung des EGMR ausreichende Beziehungsintensität begründen und im konkreten Einzelfall auch höher zu bewerten sind, als die entgegenstehenden öffentlichen Interessen. In diesem Zusammenhang wäre von der Behörde eingehend zu prüfen gewesen, inwieweit das Recht auf Privat- und Familienleben nach Artikel 8 EMRK im vorliegenden Fall betroffen ist und muss diese Interessenabwägung jedoch ergeben, dass bei einer Versagung einer Aufenthaltsbewilligung ein unzulässiger Eingriff in dieses verfassungsrechtlich garantierte Recht vorliegen würde.
Bei der Gesamtbeurteilung des vorliegenden Sachverhaltes hat es Behörde weitgehend unterlassen, diese gesetzlich erforderliche Interessenabwägung der berührten persönlichen Lebensumstände zu den gegebenen öffentlichen Interessenlagen vorzunehmen. Die diesbezüglichen Ausführungen im gegenständlich bekämpften Bescheid stellen sich als tatsächlich oberflächlich und inhaltsleer dar. Dies ist insbesondere bedeutsam, als es sich eben nach der Formulierung des § 11 Abs. 3 NAG um eine ‘Kann-Bestimmung’ handelt und demnach der Behörde ein entsprechendes Ermessen eingeräumt ist. Gerade für eine derartige Ermessensentscheidung muss jedoch der Sachverhalt sorgfältig und umfassend ermittelt werden und ist dieser einer eingehenden Prüfung zw unterziehen. Dabei haben aber die von Art. 8 EMRK geschützten Interessen in jedem Einzelfall gebührende Beachtung zu finden. Diesbezüglich sind aber schon keine ausreichenden Feststellungen durch die Erstbehörde getroffen worden, die einen derartigen mit einer Abweisung des NLB-Antrages verbundenen gravierenden Eingriff als durch ein dringendes gesellschaftliches Bedürfnis gerechtfertigt und insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten legitimen Ziel, erscheinen lassen.
Aufgrund des Assoziationsabkommens EWG/Türkei kommt türkischen Staatsbürgern, welche bereits lange Jahre in Österreich leben und sozial abgesichert sind, eine verbesserte Rechtsstellung zu. Eingriffe in deren Privat- und Familienleben sind demnach nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Richtigerweise wäre damit bei Durchführung eines ordnungsgemäßen und vollständigen Ermittlungsverfahrens festzustellen, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des (schutzwürdigen) Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
(4) Entscheidungswesentlich ist jedoch, dass Herr O S eindeutig bekundet hat, in Österreich ein Beschäftigungsverhältnis anzustreben. In einer Stellungnahme vom 09.02.2015 wurde angegeben, dass der Antragsteller (als türkischer Staatsangehöriger) freien Zugang zum Arbeitsmarkt habe und er durch einen vorgelegten Vorvertrag (Fa. P GmbH) einen Verdienst in Österreich nachweisen könne.
Nach Ansicht der Behörde müsse jedoch beim vorgelegten Arbeitsvertrag mit Arbeitsbestätigung der Firma P GmbH aus R von einem ‘neuerlichen Gefälligkeitsdienst’ ausgegangen werden. Es ist zunächst schon absolut unergründlich, wie die Behörde zu dieser Feststellung gelangt, als offenbar keinerlei Erhebungen bei der Firma P GmbH selbst geführt wurden. Die belangte Behörde hat aber vor allem unberücksichtigt gelassen, dass dem Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer türkischen Staatsangehörigen die Stillhalteklausel des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (kurz: ARB 1/80) zu Gute kommt. Gemäß Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neue Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Klausel entfaltet unmittelbare Wirkung und schließt bezüglich der in ihren Geltungsbereich fallenden türkischen Staatsangehörigen die Anwendbarkeit aller neu eingeführten Beschränkungen aus. In diesem Sinn ist es mit der genannten ‘Stillhalteklausel’ nicht vereinbar, den vorliegenden Fall einer restriktiveren Regelung zu unterwerfen, als sie eine frühere Rechtslage vorgesehen hat, mit denen solche Regelungen bereits gelockert worden waren (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 13. Dezember 2011, ZI. 2008/22/0180, vom 19. Jänner 2012, ZI. 2011/22/0313, vom 23. Mai 2012, ZI. 2011/22/0216, und vom 14. Juni 2012, ZI. 2010/21/0440, jeweils mwN aus der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union -EuGH, insbesondere das Urteil vom 15. November 2011, C- 256/11 - Dereci u.a., Randnr. 87 ff; VwGH 02.10.12; 2011/21/0231). Richtigerweise ist demnach festzustellen, dass Herr O S als (als türkischer Staatsangehöriger bzw. als Angehöriger einer in Österreich lebenden türkischen Staatsangehörigen) freien Zugang zum Arbeitsmarkt hat.
2) Verfahrensmängel:
(1) Nach Ansicht der Behörde müsse beim vorgelegten Arbeitsvertrag mit Arbeitsbestätigung der Firma P GmbH aus R von einem ‘neuerlichen
Gefalligkeitsdienst’ ausgegangen werden. Dem Antragsteller wurde diese (unzutreffende) Ansicht der Behörde nicht dargelegt und ihm keine Möglichkeit zu einer Stellungnahme dazu eingeräumt. Bezüglich dieses Umstandes hätte aber ein Vorhalt an den Antragsteller erfolgen müssen. Zu diesem, von der Behörde im nunmehr vorliegenden Bescheid als entscheidungswesentlich dargestellten Punkt, hatte der Antragsteller daher keine (effektive) Möglichkeit eine Stellungnahme einzubringen. Es ist insoweit eine Verletzung des Rechtes auf Wahrung des Parteiengehörs zu rügen. Wäre ein entsprechender (konkreter) Vorhalt durch die Behörde erfolgt, so hätte der Antragsteller nachweisen können, dass ein Beschäftigungsverhältnis und ausreichendes Einkommen in Österreich gewährleistet ist.
Die Behörde hat es im vorliegenden Fall jedoch auch unterlassen, selbst die tatsächlichen ‘Werthaltigkeit’ der Arbeitsbestätigung zu erheben und abzuklären, ob damit der Unterhalt in Österreich gewährleistet ist. Insoweit ist daher ein entscheidungswesentlicher Verfahrensmangel zu rügen.
Es wäre an der Behörde selbst gelegen, alle weiteren benötigten Informationen anzufordern und notwendige Erhebungen für fundierte Feststellungen zu treffen. In diesem Zusammenhang wird deshalb eine Bestätigung der Fa. P GmbH vorgelegt aus der sich entnehmen lässt, dass diese tatsächlich eine Beschäftigung des Antragstellers beabsichtigt und dazu auch in der Lage ist. Zu rügen ist zudem ein Begründungsmangel im vorliegenden Bescheid.
Die Behörde ist grundsätzlich verpflichtet, in der Begründung eines Bescheides in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzuzeigen, von welcher konkreten Sachverhaltsannahme sie bei ihrem Bescheid ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Tatsachenfeststellungen im Einzelnen stützen. Im vorliegend angefochtenen Bescheid legt die belangte Behörde jedoch keinesfalls ausreichend und schlüssig nachvollziehbar dar, warum sie davon ausgeht, dass von einem neuerlichen Gefalligkeitsdienst ausgegangen werden müsse. Für eine den §§ 58, 60 AVG entsprechende Begründung eines Bescheides ist es erforderlich, jenen Sachverhalt, den die Behörde als erwiesen annimmt, unzweideutig in eigenen Worten festzustellen, und nicht bloß in Form von weithergebrachten Vermutungen unter Einbeziehung von früheren Fällen, die weder Bezug zum vorliegenden Fall haben, noch für einen objektiven Leser nachprüfbar sind.
(2) Nur unzureichend einbezogen wurde das gesamte familiäre und persönliche Umfeld der betroffenen Parteien (Antragsteller und Ehegattin). Auch diesbezüglich wurden keine ausreichende Ermittlungen und Erhebungen geführt. Da gegenständliche im Sinne des § 11 Abs. 3 NAG eine eingehende Interessenabwägung durchzuführen ist, kommt Erhebung aller persönlichen und familiären Umstände wesentliche Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang wäre von der Behörde richtigerweise zu prüfen gewesen, inwieweit das Recht auf Privat- und Familienleben nach Artikel 8 EMRK im vorliegenden Fall betroffen ist und muss diese Interessenabwägung jedoch ergeben, dass bei einer Versagung einer Niederlassungsbewilligung ein diesbezüglich unzulässiger Eingriff in dieses verfassungsrechtlich garantierte Recht vorliegen würde. In den diesbezüglichen Unterlassungen der Behörde zur umfassenden Ermittlung des relevanten Sachverhaltes sind daher schwerwiegende Verfahrensmängel zu erkennen und hätte die Behörde andernfalls zu einem anderen Bescheidergebnis gelangen müssen. Der vorliegende Bescheid ist sohin auch aus diesem Grund zu beheben. Es wurde damit gegen den Grundsatz auf Durchführung eines ‘fairen Verfahrens’ verstoßen.
Gleichzeitig werden deshalb nachfolgende Beweisanträge gestellt:
• persönliche Einvernahme von Frau G S, einerseits zu deren Einkommens- und Vermögensverhältnissen und andererseits zu den persönlichen und familiären Beziehungen im Bundesgebiet und allfälligen Bindungen zum Heimatstaat; sowie zum Beweis, dass ein besonderes emotionales Abhängigkeitsverhältnis zum Antragsteller gegeben ist und dieses eine besondere Beziehungsintensität begründet;
• zeugenschaftliche Einvernahme des Geschäftsführers der Fa. P GmbH, R, insbesondere zum Beweis dafür, dass eine Beschäftigung des Antragstellers beabsichtigt ist.
Bei Durchführung dieser Beweiserhebungen, wären letztlich die zu Punkt 1) begehrten Feststellungen zu treffen und hätte schon die Erstbehörde damit zu einem anderen Bescheidergebnis gelangen müssen.
3) Unrichtige rechtliche Beurteilung:
Nach der Beurteilung der Erstbehörde im vorliegenden Bescheid könne die Ehegattin derzeit als Zusammenführende nicht für den Lebensunterhalt aufkommen, weshalb eine zwingende Erteilungsvoraussetzung für die Bewilligung des begehrten Aufenthaltstitels fehle. Durch das Assoziierungsabkommen EWR-Türkei sei zwar bei türkischen Staatsangehörigen bei beabsichtigter Erwerbsabsicht eine günstigere Rechtslage heranzuziehen. In der Begründung wird jedoch angeführt, dass man in den vergangenen Jahren aber einen Trend feststellen habe können, wonach vorgelegte Einstellungszusagen zwar für die bekundete Erwerbsabsicht akzeptiert werden mussten, diese jedoch Großteils nach Einreise der Fremden ins Bundesgebiet nicht eingehalten worden seien. Es gelte als erwiesen, dass diese Einstellungszusagen oftmals als reiner Gefalligkeitsdienst ausgestellt wurden. Die Behörde vermeint deshalb, dass hinsichtlich der begründeten beabsichtigten Erwerbstätigkeit wenig Seriosität dahinterstecke. Diese rechtliche Beurteilung der Behörde ist unrichtig. Durch die Behörde selbst wurde eine Zweckänderung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ‘Rot-Weiß-Rot - Karte Plus’ vorgenommen. Bei Erteilung dieses Aufenthaltstitels wäre der Antragsteller zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (unbeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt) berechtigt. Die (rechtlich nicht näher begründete) Ansicht der Behörde, wonach eine Arbeitsbestätigung vorzulegen ist und die ‘Werthaltigkeit’ einer solchen Arbeitsbestätigung zu prüfen sei, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Anwendbarkeit einer derartigen Bestimmung (so es eine solche gebe) würde ohnedies (als später eingeführtes rechtliches Hindernis) aufgrund der Stillhalteklausel des Art 13 ARB 1/80 gegenüber dem Antragsteller ausgeschlossen. Bei der Erstantragstellung genügt bloß eine Absichtserklärung über die künftige Erwerbstätigkeit. Die Voraussetzungen für eine Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sind jedenfalls auch in rechtlicher Hinsicht nicht gegeben. Aufgrund der vorgelegten Urkunden und der somit nachgewiesenen Einkommensverhältnisse ist überdies dokumentiert, dass die Ehegattin für den Unterhalt des Antragstellers in Zukunft aufkommen kann und wird. Damit erscheint jedenfalls auch sichergestellt, dass der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen kann.
Es ist zudem in rechtlicher Hinsicht nochmals festzuhalten, dass durch die vorliegende Abweisung des Antrages jedenfalls ein unzulässiger Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Privat- und Familienlebens nach Artikel 8 EMRK vorliegt. Eine durchzuführende Interessenabwägung muss einen Vorrang der auf dem Spiel stehenden persönlichen Umstände vor öffentlichen Interessenlagen ergeben. Entgegen der Rechtsansicht der Behörde ist im vorliegenden Fall jedenfalls von der Ausnahmebestimmung des § 11 Abs. 3 NAG Gebrauch zu machen, als die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
Bei objektiver und fehlerfreier Abwägung der gesamten Umstände und richtiger Ermessensübung hätte jedenfalls die Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ‘Rot-Weiß-Rot - Karte plus’ positiv entscheiden müssen. Die gegenständlich bekämpfte Entscheidung stellt sich damit insgesamt als rechtswidrig dar.“
I.3. Mit Schreiben vom 24. März 2015, eingelangt beim Oö. Landesverwaltungsgericht am 2. April 2015, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt vor. Zwar beantragte der Bf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, diese konnte gemäß § 24 Abs 2 VwGVG jedoch entfallen, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie in den ergänzend beigeschafften aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister und in den ergänzend beigeschafften Versicherungsdatenauszug. Ferner legte die Ehefrau des Bf ergänzend Lohnzettel vor.
I.4. Mit Erkenntnis vom 28. Mai 2015, LVwG-750267/6/ER, gab das Oö. Landesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und erteilte dem Bf den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, jedoch ohne die Dauer für diesen Aufenthaltstitel festzusetzen.
I.5. Mit Schreiben vom 3. Juli 2015 erhob die belangte Behörde gegen dieses Erkenntnis außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und begründetet diese im Wesentlichen damit, dass das angefochtene Erkenntnis aufgrund der fehlenden Bestimmtheit des Zeitraums, für den der beantragte Aufenthaltstitel erteilt werden solle, entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit Rechtswidrigkeit belastet sei.
I.6. Mit Erkenntnis vom 16. September 2015, Ra 2015/22/0103, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Oö. Landesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2015, LVwG-750267/6/ER, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgrund der fehlenden Festsetzung der Dauer des Aufenthaltstitels auf.
I.7. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungsrelevanten S a c h v e r h a l t aus:
Der Bf ist türkischer Staatsbürger und mit einer in Österreich niedergelassenen türkischen Staatsbürgerin verheiratet. Die Ehefrau des Bf verfügt über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“.
Die Ehefrau des Bf befindet sich seit 2. März 2015 in einem aufrechten Dienstverhältnis. Sie verdiente in den Monaten März und April 2015 1.596,96 Euro brutto, derzeit bringt sie aus diesem Dienstverhältnis monatlich 1.177,45 Euro brutto ins Verdienen. Die Ehefrau des Bf verfügt über einen aufrechten Mietvertrag über eine Wohnung in der Größe von 60 m², wobei die monatliche Miete inkl. Betriebskosten 250 Euro beträgt.
Der Bf verfügt über eine Einstellungszusage der Firma „P GmbH“ in R, wonach er jederzeit als Malerhelfer ein Arbeitsverhältnis auf Vollzeitbasis mit einem Stundenlohn von 9,05 Euro brutto beginnen kann.
Der Bf verfügt über einen bis 13. Juni 2024 gültigen türkischen Reisepass und ist strafrechtlich unbescholten.
II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und der Beschwerde samt beigelegten Unterlagen. Die Firma „P GmbH“ bestätigte bereits im ersten Rechtsgang nach Unterzeichnung der Einstellungszusage aufgrund der „vielversprechenden Auftragslage“ die Absicht, den Bf im Betrieb aufzunehmen. Ferner legte der Bf ergänzend einen Arbeitsvertrag mit der Firma „P GmbH“, datiert mit 28. Oktober 2015 vor, wonach der Bf als Malerhelfer in einem Ausmaß von 39 Wochenstunden zu einem Stundenlohn von 9,05 Euro brutto eingestellt werde. Das monatliche Einkommen der Ehefrau des Bf ergibt sich einerseits aus den der Beschwerde beiliegenden Unterlagen, andererseits aus nachgereichten Lohnzetteln und einer Bestätigung des Arbeitgebers vom 28. Oktober 2015.
III. Gemäß § 46 Abs 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz BGBl I Nr 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 68/2013 – NAG (1) ist Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und
1. der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 oder einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus” gemäß § 41a Abs 1 oder 4 innehat, oder
2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende
a) einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU” innehat,
b) einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus”, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs 1 oder 4 innehat, oder
c) Asylberechtigter ist und § 34 Abs 2 AsylG 2005 nicht gilt.
Gemäß § 20 Abs 1 NAG sind – sofern nicht anderes bestimmt ist – befristete Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen, es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer der Aufenthaltstitel beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.
Gemäß Art 6 Abs 1 Assoziationsratsbeschlusses 1/1980 – ARB 1/80 hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung, in diesem Mitgliedstaat
- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
Gemäß Art 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.
Gemäß § 20 Abs 1 FrG 1997 ist Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Fremder, die rechtmäßig in Österreich auf Dauer niedergelassen sind, auf deren Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). Das Recht, weiterhin niedergelassen zu sein, bleibt Ehegatten erhalten, wenn die Voraussetzungen für den Familiennachzug später als vier Jahre nach der Erteilung der Erstniederlassungsbewilligung wegfallen.
Gemäß § 10 Abs 1 FrG 1997 ist die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu verSen, wenn
1. gegen den Fremden ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht;
2. der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll;
3. der Aufenthaltstitel - außer für Saisonarbeitskräfte (§ 9), für begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 47) oder Angehörige von Österreichern (§ 49) - nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 28 oder § 29) erteilt werden soll;
4. sich der Fremde nach Umgehung der Grenzkontrolle nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält;
5. der Fremde unentschuldigt einer Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung (§ 96 Abs. 1 Z 5), in der diese Folge angekündigt ist, nicht Folge leistet oder an der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht mitwirkt.
Gemäß Abs 2 kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere verSt werden, wenn
1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;
2. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches;
3. der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
4. der Aufenthalt des Fremden die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat beeinträchtigen würde;
5. Grund zur Annahme besteht, der Fremde werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Titels das Bundesgebiet nicht unaufgefordert verlassen.
Gemäß § 12 Abs 1 FrG 1997 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels außer in den Fällen des § 10 Abs 4 zu versagen, wenn Fremde, die hiezu gemäß § 8 Abs 5 verpflichtet sind, keinen Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nachweisen.
Gemäß § 8 Abs 5 FrG 1997 bedarf es für die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels des Nachweises eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft für den Fremden, der sich hier niederlassen will. Dieser Nachweis ist auch für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels erforderlich; er gilt für in Österreich geborene Kinder als erbracht, wenn der Familie die vor der Geburt bewohnte Unterkunft weiterhin zur Verfügung steht.
IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
IV.1. Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass der Bf die Begünstigungen, die sich aus dem Assoziationsratsbeschluss (ARB) 1/1980 ergeben, geltend machen kann:
Unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. Dezember 2010, C-300/09, C-301/09, Toprak und Oguz, RN 45, hielt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, 2008/22/0180, fest, dass es der Anwendung des Art 13 ARB 1/80 nicht entgegen stehe, dass der betreffende Arbeitnehmer nicht bereits (legal) in den Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates integriert ist, also die Voraussetzungen gemäß Art 6 Abs 1 ARB 1/80 nicht erfüllt; die Stillhalteklausel in Art 13 ARB 1/80 diene nämlich nicht dazu, die schon in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integrierten türkischen Staatsangehörigen zu schützen, sondern solle gerade für die türkischen Staatsangehörigen gelten, die noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und entsprechend auf Aufenthalt nach Art 6 Abs 1 ARB 1/80 genießen.
In seinem Erkenntnis vom 28. März 2012, 2009/22/0344, verwies der Verwaltungsgerichtshof „gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG im Hinblick darauf, dass es sich beim (...) Beschwerdeführer um einen türkischen Staatsangehörigen handelt, der die Vornahme einer Erwerbstätigkeit anstrebt – im Verwaltungsverfahren wurde als Nachweis für das diesbezügliche Vorbringen eine Einstellungszusage vorgelegt – auch auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 13. Dezember 2011, Zl. 2008/22/0180, dessen Fall in seinem entscheidungsmaßgeblichen Sachverhalt und der auf Art. 13 ARB 1/80 bezugnehmenden Rechtsfrage dem vorliegenden gleicht“.
Der Bf, der türkischer Staatsbürger ist, verfügt über eine aktuelle Einstellungszusage. ISd zitierten Judikatur sind somit die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels anhand der Bestimmungen des FrG 1997, die aufgrund der „Stillhalteklausel“ des Art 13 ARB 1/80 für Berechtigte nach dem ARB heranzuziehen sind, zu prüfen.
IV.2.1. Der Bf verfügt über ein gültiges Reisedokument und seine Frau ist dauerhaft in Österreich niedergelassen. Sofern kein Versagungsgrund iSd §§ 10 bis 12 FrG 1997 wirksam wird, ist dem Bf daher gemäß § 20 Abs 1 FrG 1997 eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen.
IV.2.2. Dass ein absolutes Erteilungshindernis iSd § 10 Abs 1 FrG 1997 vorläge, ist im Verwaltungsverfahren nicht hervorgekommen.
Gemäß § 10 Abs 2 FrG 1997 kann dem Bf der beantragte Titel verSt werden, wenn er nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt verfügt.
Der Bf verfügt über eine aufrechte Einstellungszusage, wonach er Anspruch auf Vollzeitbeschäftigung als Malerhelfer bei einem Bruttostundenlohn von 9,05 Euro hat. Daraus errechnet sich ein durchschnittlicher Netto-Monatsbezug (inkl. Sonderzahlungen) von rund 1.404 Euro. Die Gattin des Bf geht seit Anfang März 2015 einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Angestellte nach, wobei sie in den Monaten März und April 2015 1.596,96 Euro brutto verdiente und derzeit monatlich 1.177,45 Euro brutto verdient. Daraus errechnet sich ein durchschnittlicher Monats-Nettobezug (inkl. Sonderzahlungen) von rund 1223 Euro.
Gemäß § 123 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl Nr 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 139/2013, besteht Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung für Angehörige,
1. wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und
2. wenn sie weder nach der Vorschrift dieses Bundesgesetzes noch nach anderer gesetzlicher Vorschrift krankenversichert sind und auch für sie seitens einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers Kranken-fürsorge nicht vorgesehen ist.
Gemäß § 123 Abs 2 Z 1 ASVG gelten Ehegatten als Angehörige.
Da der Bf aufgrund der Einstellungszusage einen Anspruch auf eine versicherungspflichtige Tätigkeit geltend machen kann, kann er selbst mit Aufnahme dieser Tätigkeit einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz nachweisen. Selbst wenn er diese Tätigkeit nicht ausüben sollte, hat er gemäß § 123 Abs 1 ASVG als Ehegatte einer nach dem ASVG Versicherten Anspruch auf einen derartigen Versicherungsschutz, sobald er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Das Erfordernis des alle Risken abdeckenden Versicherungsschutzes iSd § 10 Abs 2 Z 1 FrG 1997 ist demnach als erfüllt anzusehen.
Durch die verbindliche Einstellungszusage ist der Bf darüber hinaus in der Lage, selbst für ausreichende Mittel zu seinem Unterhalt zu sorgen.
Zur Überprüfung, ob der Aufenthalt des Bf zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. April 2009, 2008/22/0711, Folgendes aus: „[...] § 10 Abs. 2 Z 2 FrG [enthielt] lediglich die Anordnung, dass die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen insbesondere dann verSt werden kann, wenn der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergebe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches. Eine dem § 11 Abs. 5 NAG vergleichbare Vorschrift zum erforderlichen Ausmaß der aufzubringenden Unterhaltsmittel war der damaligen Rechtslage fremd.
In der zur früheren Rechtslage ergangenen Rechtsprechung wurde festgehalten, dass eine an den Sozialhilferichtsätzen der jeweiligen Bundesländer orientierte Berechnung der Unterhaltsmittel keinen Bedenken begegnet (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 9. April 1999, 97/19/0481, und vom 3. Dezember 1999, 99/19/0094). Die Behörde durfte sich bei Berechnung des Unterhaltsbedarfes einer Familie im Regelfall nur an jenem Gesamtbetrag orientieren, welcher nach Auffassung der jeweiligen Landesregierung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Deckung des Bedarfes für einen Haushaltsvorstand und der jeweiligen Zahl der unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen auch dann ausreichend ist, wenn daneben keine weiteren Mittel zur Verfügung standen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1999, 99/19/0094). In den jeweiligen Sozialhilfegesetzen der Länder sind Mietbelastungen im Rahmen der Sozialhilfe einer gesonderten Beihilfe zuzuführen (vgl. etwa für Wien § 13 Wiener Sozialhilfegesetz iVm § 5 Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, wonach der Mietbedarf durch eine eigene Mietbeihilfe zu decken ist, bzw. § 4 dieser Verordnung, wonach bestimmte Wohnkosten im Falle von Dauersozialhilfebeziehern unter bestimmten näher genannten Voraussetzungen pauschal durch einen Zuschlag zum Richtsatz abzudecken sind). Kosten für Unterkunft waren sohin nach der früheren Rechtslage bei der Berechnung der Unterhaltsmittel zu berücksichtigen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 3. Dezember 1999, 99/19/0094, und vom 21. Dezember 2001, 2000/19/0153).“
Gemäß Art 3 der Vereinbarung über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung gemäß Art 15a B-VG, LGBl Nr 82/2010, umfasst gemäß Abs 1 der Lebensunterhalt den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe und gemäß Abs 2 der Wohnbedarf den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.
Gemäß § 10 Abs 1 der Vereinbarung gewährleisten die Länder nach Maßgabe des Art 4 dieser Vereinbarung monatliche Geldleistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes (Art 3 Abs 1) und des angemessenen Wohnbedarfs (Art 3 Abs 2) als Mindeststandards.
Gemäß § 11 Abs 1 erster Satz der Vereinbarung sollen die Länder zusätzliche Leistungen zumindest auf Grundlage des Privatrechts gewährleisten, wenn mit den Mindeststandards nach Art 10 der angemessene Wohnbedarf nicht vollständig gedeckt werden kann.
Gemäß § 12 Abs 2 Z 1 Oö. Mindestsicherungsgesetz, LGBl Nr 74/2011 zuletzt geändert durch LGBl Nr 55/2014, sind Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung mit Rechtsanspruch die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs.
Gemäß § 6 Abs 3 Oö. Mindestsicherungsgesetz umfasst der Wohnbedarf den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.
Gemäß § 13 Abs 4 Oö. Mindestsicherungsgesetz ist, sofern bei hilfesuchenden Personen keine Aufwendungen für den Wohnbedarf zu tätigen sind, die Summe der für den Haushalt festgesetzten Mindeststandards um 18 % des Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes für Alleinstehende zu verringern. Sofern die von der hilfesuchenden Person nach Abzug der Wohnbeihilfe nach dem Oö. Wohnbauförderungsgesetz 1993 und sonstiger unterkunftsbezogener Beihilfen zu tragenden Aufwendungen für den Wohnbedarf 18 % des Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatzes für Alleinstehende unterschreiten, ist der Mindeststandard gleichfalls um diesen Betrag zu verringern und der tatsächliche Wohnungsaufwand zuzuschlagen.
Gemäß § 14 Abs 1 erster Satz Oö. Mindestsicherungsgesetz schließt die Zuerkennung von laufenden monatlichen Leistungen gemäß § 13 andere Leistungen bedarfsorientierter Mindestsicherung im Einzelfall nicht aus.
Gemäß § 1 Abs 1 Z 3 lit a Oö. Mindestsicherungsverordnung – Oö. BMSV, LGBl Nr 75/2011, zuletzt geändert durch LGBl Nr 115/2015, betragen die laufenden monatlichen Geldleistungen (Mindeststandards) zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs für volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben pro Person 636,30 Euro. Der Richtwert für Ehepaare in Haushaltsgemeinschaft liegt demnach bei 1.272,60 Euro.
Gemäß § 1 Abs 5 Z 2 Oö. BMSV ist, sofern eine Person gemäß § 13 Abs 4 Oö. BMSG volljährig im Sinn des Abs 1 Z 3 lit a oder Z 4 lit a ist, ihr Mindeststandard um bis zu 74,50 Euro zu verringern.
Bei anderen Personen ist kein Abzug im Sinn des § 13 Abs 4 Oö. BMSG vorzunehmen.
Anders als in den vom Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung herangezogenen früheren Sozialhilfebestimmungen regelt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung die laufenden monatlichen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs. Nur im Einzelfall sind zusätzliche Leistungen auf privatrechtlicher Basis zur Deckung des Wohnbedarfs vorgesehen. Aufgrund der Rechtsansprüche aus der Mindestsicherung ergibt sich, dass damit der Wohnbedarf im Regelfall abgedeckt ist. Im Umkehrschluss zur zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs sind die Kosten für Unterkunft sohin nach § 10 Abs 2 FrG 1997 in Hinblick auf die Bestimmungen zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung bei der Berechnung der Unterhaltsmittel nicht zu berücksichtigen.
Zumal der sich aus § 10 Abs 2 FrG iVm § 1 Abs 1 Z 3 lit a Oö. BMSV ergebende Richtsatz für den Bf günstiger ist als jener, der sich aufgrund von § 11 Abs 5 NAG ergeben würde, waren iSd „Stillhalteklausel“ des Art 13 ARB 1/80 auch hinsichtlich der Berechnung der Unterhaltsmittel, die ausreichen, um zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft durch den Bf zu führen, die Bestimmungen des FrG 1997 heranzuziehen.
Nach diesen Bestimmungen müssen die Unterhaltsmittel für den Bf und seine Gattin mindestens 1.272,60 Euro betragen. Da die Gattin des Bf alleine für die Mittel für den Wohnbedarf aufkommt, ist gemäß § 13 Abs 4 Oö. Mindestsicherungsgesetz iVm § 1 Abs 5 Z 2 Oö. BMSV der Mindeststandard des Bf um 74,50 Euro zu verringern. Der Bf und seine Gattin müssen demnach gemeinsam über einen Mindestbetrag von 1.198,10 Euro verfügen. Zumal die Gattin des Bf durchschnittlich monatlich 1.223 Euro netto inkl Sonderzahlungen verdient, kann sie für den erforderlichen Unterhalt sorgen.
Der Bf ist strafrechtlich unbescholten, es besteht somit kein Grund zur Annahme, sein Aufenthalt würde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden.
Auch besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Aufenthalt des Bf die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat beeinträchtigen würde.
Ferner besteht kein Grund zur Annahme, der Bf werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Titels das Bundesgebiet nicht unaufgefordert verlassen.
Ein Versagungsgrund iSd § 12 Abs 2 FrG 1997 liegt demnach nicht vor.
IV.2.3. Abschließend ist zu prüfen, ob der Aufenthalt des Bf gemäß § 12 Abs 1 FrG 1997 zu verSen ist, weil er keinen Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft gemäß § 8 Abs 5 FrG 1997 nachweisen kann.
Wie dem Zentralen Melderegister zu entnehmen ist, hat die Gattin des Bf ihren Hauptwohnsitz an der Adresse X gemeldet. Der Bf und seine Gattin beabsichtigen, hier ihren gemeinsamen Wohnsitz zu begründen. Bei dieser Unterkunft handelt es sich laut vorgelegtem Mietvertrag um eine Wohnung mit einer Nutzfläche von 60 m². Dass diese Wohnung für vergleichbar große Familien als ortsüblich angesehen werden kann, wurde im Verwaltungsverfahren bereits festgestellt.
V. Da sich der Bf auf die „Stillhalteklausel“ des Art 13 ARB 1/80 berufen konnte und daher im Sinne des § 20 FrG 1997 zu prüfen war, ob ein Erteilungshindernis vorliegt, was im Ergebnis zu verneinen war, erfüllt der Bf sämtliche Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel. Im Ergebnis war der Beschwerde daher stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und dem Bf der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels von zwölf Monaten ergibt sich aus § 20 Abs 1 NAG.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Elisabeth Reitter