LVwG-600965/8/KH

Linz, 19.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin         Mag. Katja Hörzing über die Beschwerde des Herrn J F, x, vertreten durch L GesbR Mag. O L MBL Mag. L L, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 25. Juni 2015, VerkR96-188-2015, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960),

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern stattgegeben, als die in Spruchpunkt 1) und 2) verhängten Geldstrafen auf jeweils 170 Euro (Ersatzfreiheitsstrafen: jeweils 48 Stunden) herabgesetzt werden. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht zu leisten. Der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde beträgt 34 Euro.

 

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.             1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (im Folgenden: belangte Behörde) vom 25. Juni 2015, VerkR96-188-2015, wurden über Herrn J F (im Folgenden: Beschwerdeführer – Bf) Verwaltungsstrafen in der Höhe von je 200 Euro verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe je 48 Stunden), da er gegen § 18 Abs. 4 sowie § 18 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) verstoßen habe. Vorgeworfen wurde dem Bf konkret, als Lenker eines Kraftwagenzuges beim Nachfahren hinter einem Sattelkraftfahrzeug (Fahrzeug mit größeren Längsabmessungen) nicht einen Abstand von 50 m eingehalten zu haben, obwohl der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen auf Freilandstraßen nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten hat. Der Abstand habe nur 10 m betragen. Weiters wurde dem Bf vorgeworfen, zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten zu haben, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde.

 

2. Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 2. Juli 2015, erhob der Bf, vertreten durch L GesbR Mag. O L MBL Mag. L L, x, binnen offener Frist Beschwerde.

Darin wird insbesondere vorgebracht, dass der gegen den Bf erhobene Tatvorwurf auf reinen subjektiven Wahrnehmungen jener Beamten basiere, die den Sachverhalt zur Anzeige brachten und auf keiner für den Beschuldigten nachvollziehbaren Messung. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des VwGH vom 18. November 2003, 2001/03/0297. Wenn Messlinien tatsächlich bei einem Messverfahren nicht objektiv feststellbar seien, könne das Fehlen eines solchen objektiven Beweises nicht durch die Aussage des messenden Beamten, der sich an die Messung naturgemäß nicht mehr erinnern könne und selbst bei der allgemeinen Beschreibung der Durchführung der Messung keine einheitlichen Angaben gemacht habe, ersetzt werden. Überprüfbare Messergebnisse würden nicht vorliegen und die Wahrnehmungen der einschreitenden Beamten könnten in objektiver Hinsicht nicht nachvollzogen oder auf ihre Richtigkeit überprüft werden, daher sei eine Bestrafung des Bf schon aus diesem Grunde unzulässig. Wie vage die Wahrnehmungen der Anzeigenden waren, zeige zudem der Umstand, dass von den einschreitenden Beamten keine Angaben zur Geschwindigkeit des vom Beschuldigten gelenkten Fahrzeuges gemacht worden seien.

Weiters sei § 18 Abs. 4 StVO 1960 eine Spezialbestimmung zu § 18 Abs. 1 StVO – § 18 Abs. 1 werde durch eine Begehung nach § 18 Abs. 4 StVO konsumiert.

Beantragt wurde in der Beschwerde, das Landesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen und den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsakts dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Aus Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG) ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts.

 

 

II.            Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den mit der Beschwerde vorgelegten Behördenakt sowie in Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht am 14. Oktober 2015. Bei der Verhandlung waren der Bf sowie sein Rechtsvertreter, RA Mag. O L und die Vertreterin der belangten Behörde, Frau S F anwesend. Zeugenschaftlich einvernommen wurde Herr GrInsp. W V.

Betreffend die Aussagen des einvernommenen Zeugen ist festzuhalten, dass insbesondere das anschauliche Beispiel, dass das Polizeifahrzeug, ein ADR-Sprinter, eine Länge von 7,20m aufweist und nicht mehr zwischen das Fahrzeug des Bf und den davor fahrenden Sattelkraftfahrzeug gepasst hätte, nachvollziehbar und glaubwürdig scheint. Diese Aussage entspricht auch dem Inhalt der Anzeige.

Die Aussage des Bf in der mündlichen Verhandlung, dass der Abstand zum vorderen Fahrzeug mehr als 50 Meter betragen habe, ist insofern hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit nicht in gleicher Dimension nachvollziehbar, als die Angabe des Abstandes mit mehr als 50 Meter durch den Bf erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht und nicht bereits im Behördenverfahren erfolgte, wo lediglich die Unrichtigkeit der Tatvorwürfe behauptet wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass seit dem vorgeworfenen Tattag mehr als 11 Monate vergangen sind und der Bf zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht am 14. Oktober 2015 behauptet hat, dass der Abstand zum vorderen KFZ mehr als 50 Meter betragen habe, scheint dem Landesverwaltungsgericht eine derartige Aussage nicht durchgängig glaubwürdig.

 

Die Angaben des Zeugen zur Geschwindigkeit des Fahrzeuges des Bf zur Tatzeit aufgrund des dem Akt beiliegenden Geschwindigkeitsprofils sind aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts nachvollziehbar und schlüssig.

 

 

 

 

 

III.           Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts steht folgender Sachverhalt fest:

 

1. Der Bf fuhr am 9. Dezember 2014 um 16:40 Uhr auf der Autobahn, Richtung Graz im Tunnel Steinhaus. Vor ihm fuhr ein Sattelkraftfahrzeug. Der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht zeugenschaftlich einvernommene GrInsp. V nahm im angegebenen Tunnelbereich wahr, dass der Abstand des Fahrzeuges des Bf zu dem vor ihm fahrenden Sattelkraftfahrzeug lediglich maximal ca. 10 Meter betrug. Dies war aufgrund der bekannten Länge der Leitlinie auf Autobahnen (6 m, Abstand zwischen den Leitlinien 12 m) auch augenscheinlich ersichtlich. Weiters wurde wahrgenommen, dass der ADR-Sprinter, welcher eine Länge von genau 7,20 Meter aufweist, nicht mehr zwischen die beiden Lastkraftfahrzeuge gepasst hätte. Dies sagte GrInsp. V bereits zeugenschaftlich einvernommen vor der belangten Behörde aus.

 

2. In der Folge erging eine Strafverfügung, in der dem Bf wie auch im angefochtenen Straferkenntnis Verstöße gegen § 18 Abs. 4 sowie § 18 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) vorgeworfen wurden. Gegen diese Strafverfügung erhob der Bf Einspruch. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vor der belangten Behörde wurde, wie bereits erwähnt, GrInsp. V zeugenschaftlich zum Vorfall einvernommen.

 

Die rechtfertigende Stellungnahme des Bf enthielt vor allem die Feststellung, dass es sich bei der Abstandsangabe lediglich um subjektive Wahrnehmungen und nicht um eine Messung handelt. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei gleichzeitiger Bestrafung nach § 18 Abs. 1 sowie § 18 Abs. 4 StVO 1960 um eine unzulässige Doppelbestrafung handle und dass es sich bei Abs. 4 im Verhältnis zu Abs. 1 um eine lex specialis handle.

 

3. In der Folge erging das im gegenständlichen Beschwerdeverfahren angefochtene Straferkenntnis.

 

4. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht wurde GrInsp. V neuerlich zeugenschaftlich einvernommen. Der Zeuge bestätigte die bereits in der Anzeige enthaltenen Aussagen. Wiederum wies er darauf hin, dass der ADR-Sprinter, welcher eine Länge von 7,20 m aufweist, nicht mehr zwischen den LKW des Beschwerdeführers und den davor fahrenden LKW hineingepasst hätte und führte dazu aus, dass der ADR-Sprinter auf der rechten Seite eine große Glasfront aufweist, durch die auch gute Sicht nach hinten besteht, außerdem war aufgrund der Aufschrift der Zweck des Fahrzeugs eindeutig erkennbar. Weiters wies der Zeuge auf den bestehenden Abstand zwischen den Leitlinien auf der Autobahn von 12 Meter bzw. auf die Länge des Striches der Leitlinien von 6 Meter hin, anhand derer der Abstand ebenso abgeschätzt werden kann. Auf Nachfrage des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers bestätigte der Zeuge, dass der Tiefenabstand zwischen dem Fahrzeug des Bf und dem davor fahrenden KFZ geschätzt und nicht gemessen wurde, was durch beide im Auto anwesende Beamte erfolgt ist.

Der Bf gab in der mündlichen Verhandlung an, dass seiner Ansicht nach der Abstand zu dem vor ihm fahrenden KFZ reichlich war und dass dieser mehr als 50 Meter betragen hat.

 

5. Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes steht aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Aussagen des einvernommenen Zeugen fest, dass der Abstand des Fahrzeuges des Bf zu dem vor ihm fahrenden Sattelkraftfahrzeug maximal 10 Meter betragen hat.

Die Geschwindigkeit des Fahrzeuges des Bf hat zur Tatzeit ca. 90 km/h betragen.

Der Bf verfügt über ein durchschnittliches Monatseinkommen von 700 Euro, kein Vermögen und ist sorgepflichtig für ein minderjähriges Kind.

 

 

IV.          In rechtlicher Hinsicht hat das Landesverwaltungsgericht wie folgt erwogen:

 

1. Rechtsgrundlagen:

 

§ 18 Abs. 1 und 4 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) lauten wie folgt:

„(1) Der Lenker eines Fahrzeuges hat stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

(4) Der Lenker eines Fahrzeuges mit größeren Längsabmessungen (Lastfahrzeuge, Kraftwagenzüge, Omnibusse u. dgl.) hat auf Freilandstraßen nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einzuhalten.“

 

Gemäß § 99 Abs. 3 lit a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

 

§ 2 Abs. 1 Z. 16 StVO 1960 lautet: „Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als Freilandstraße: eine Straße außerhalb von Ortsgebieten.“

 

§ 20 Abs. 2 StVO 1960 normiert Folgendes: „Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.“

 

 

2. Erwägungen:

 

2.1. Zum Vorbringen des Bf, dass § 18 Abs. 1 StVO 1960 lex specialis zu § 18 Abs. 4 leg.cit. ist, welcher vor allem für Freilandstraßen gelte und deshalb auf Autobahnen nicht anwendbar sei, da Zweck des Abs. 4 das Ermöglichen eines gefahrlosen Überholens sei, was jedoch nur für Freilandstraßen sinnvoll sei:

 

§ 18 Abs. 1 StVO 1960 normiert, dass der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten hat, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Zweck des § 18 Abs. 1 StVO 1960 ist somit, zu verhindern, dass durch ein zu knappes „Auffahren“ zum Vorderfahrzeug ein rechtzeitiges Bremsen nicht mehr möglich ist und in der Folge ein Auffahrunfall provoziert wird.

 

Dagegen stellt § 18 Abs. 4 StVO 1960 eine Spezialbestimmung für Fahrzeuge mit größeren Längsabmessungen dar und normiert, dass Lenker derartiger Fahrzeuge wie zB Lastfahrzeuge, Kraftwagenzüge, Omnibusse und dgl. auf Freilandstraßen nach einem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 Meter einzuhalten haben.

Dazu ist auf die Erläuterungen zu § 18 Abs. 4 StVO 1960 hinzuweisen, welche Folgendes ausführen: „Hiedurch soll erreicht werden, dass Fahrzeuge mit größeren Längsabmessungen wenigstens „in Raten“ überholt werden können. [...] Im Interesse eines gefahrlosen Überholens von längeren Fahrzeugen soll nunmehr der Lenker eines „langen“ Fahrzeuges nach jedem solchen Fahrzeug einen Abstand von mindestens 50 m einhalten.“ Dazu wird im Kommentar Pürstl StVO-ON13.01 § 18 StVO Folgendes angemerkt: „Der Abstand von 50 m wird auf einer Freilandstraße (oder gar Autobahn) nicht ausreichen, um sich zwischen zwei Fahrzeugen gefahrlos einzuordnen.“

In diesem Sinn ist festzuhalten, dass der Normzweck des § 18 Abs. 4 StVO 1960 eindeutig ein anderer als jener des § 18 Abs. 1 leg.cit. ist – Abs. 1 soll Auffahrunfälle durch rechtzeitiges Bremsen verhindern, Abs. 4 soll ein gefahrloses Überholen von längeren Fahrzeugen ermöglichen. Da die Zwecke beider Normen völlig unterschiedliche sind, ist sowohl eine Bestrafung nach § 18 Abs. 1 als auch nach § 18 Abs. 4 StVO 1960 möglich und zulässig. Eine Konsumtion bzw. ein Anwendungsfall einer lex specialis liegt im gegenständlichen Fall somit nicht vor.

 

Zum Argument des Bf, dass § 18 Abs. 4 StVO 1960 nur für das Fahren auf Freilandstraßen und nicht auch für Autobahnen anwendbar ist, ist auf die in § 2 Abs. 1 Z. 16 StVO 1960 enthaltene Definition der „Freilandstraße“ in Zusammenhalt mit der Bestimmung des § 20 Abs. 2 leg.cit. hinzuweisen: Als Freilandstraße wird eine Straße außerhalb von Ortsgebieten definiert, für Autobahnen findet sich hingegen keine eigene Begriffsbestimmung. § 20 Abs. 2 leg.cit. normiert weiters Höchstgeschwindigkeiten einerseits für Autobahnen (130 km/h) und andererseits für die übrigen Freilandstraßen (100 km/h). Daraus ist eindeutig zu folgern, dass jede Straße außerhalb des Ortsgebiets und somit auch eine Autobahn unter den Begriff „Freilandstraße“ zu subsumieren ist. Der Begriff „Autobahn“ ist somit ein Unterbegriff des Begriffs „Freilandstraße“. Folglich gilt    § 18 Abs. 4 StVO 1960 entgegen der Ansicht des Bf auch für das Fahren auf Autobahnen. Diese Ansicht wird auch durch die oben zitierte Anmerkung im Kommentar Pürstl StVO-ON13.01 zu § 18 StVO gestützt, in welcher der Abstand von 50 Meter auf einer Freilandstraße („oder gar Autobahn“) sogar als nicht ausreichend angesehen wird, um sich gefahrlos zwischen zwei Fahrzeugen einzuordnen.

Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass – entgegen den Feststellungen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht – in der Beschwerde noch Folgendes festgehalten wurde: „Richtig ist daher lediglich, dass der Beschuldigte zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt einen LKW mit größeren Längsabmessungen hinter einem solchen Fahrzeug auf einer Freilandstraße lenkte, mehr auch nicht.“

 

Somit ist festzustellen, dass grundsätzlich eine Bestrafung sowohl nach § 18    Abs. 1 als auch nach § 18 Abs. 4 StVO 1960 zulässig ist und dass § 18 Abs. 4 leg.cit. auch für das Fahren auf Autobahnen und somit auf den gegenständlichen Beschwerdefall anwendbar ist.

 

 

2.2. Wie oben unter Pkt. II und III erwähnt, steht für das Landesverwaltungsgericht fest, dass der Abstand des LKW des Bf zu dem vor ihm fahrenden Sattelkraftfahrzeug maximal 10 Meter betragen hat, was insbesondere aufgrund des durch den einvernommenen Zeugen erwähnten anschaulichen Vergleichs mit der Länge des ADR-Sprinters von 7,20 Meter, welcher nicht mehr zwischen das Auto des Bf und den davor fahrenden LKW gepasst hätte, klar ersichtlich ist. Die Behauptung des Bf in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht, dass der Abstand mehr als 50 Meter betragen habe, konnte durch ihn nicht weiter substantiiert werden, insbesondere konnten keine Gegenbeweise zu den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussagen des einvernommenen Zeugen vorgelegt werden.

 

Das in der Beschwerde zitierte Erkenntnis des VwGH vom 18.11.2003, 2001/03/0297, ist insofern nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar, als es sich in jenem Fall um eine Messung mittels Messgerät handelte. Im vorliegenden Fall wurde der Abstand zwar geschätzt, ist aber aufgrund des Vergleichs mit der nachvollziehbaren Länge des Polizeifahrzeuges eindeutig quantifizierbar im Sinne der Feststellung, dass der Abstand des Fahrzeuges des Bf zum vor ihm fahrenden Fahrzeug maximal 10 Meter betragen hat (tatsächlich sogar weniger).

 

 

2.3. Zum Vorwurf des Verstoßes gegen § 18 Abs. 1 StVO 1960:

 

Abs. 1 soll das rechtzeitige Abbremsen sicherstellen, insbesondere wenn das vordere Fahrzeug abrupt abgebremst wird. Das Fahrzeug des Bf fuhr zum Tatzeitpunkt mit einer ungefähren Geschwindigkeit von 90 km/h, was von GrInsp. V bereits in seiner zeugenschaftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde ausgesagt wurde, was einerseits aufgrund des dem Akt beiliegenden Geschwindigkeitsprofils und andererseits aufgrund der Tatsache, dass das Polizeifahrzeug neben dem Fahrzeug des Bf fuhr, festgestellt wurde. Dagegen wendete der Bf im Rahmen der Gewährung des Parteiengehörs nichts ein, in der Beschwerde wurde – entgegen der Zeugenaussage von GrInsp. V – lediglich behauptet, dass dieser keine Angaben zur Geschwindigkeit des Fahrzeuges des Bf gemacht habe, was jedoch aufgrund der Zeugenaussage eindeutig zu widerlegen ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist als Sicherheitsabstand mindestens der Reaktionsweg einzuhalten, der in Metern drei Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h beträgt (VwGH 18. 12. 1997, 96/11/0035). Dies wäre im vorliegenden Fall bei einer Geschwindigkeit von       90 km/h ein Abstand von mindestens 27 Metern. Würde man zugunsten des Bf sogar nur annehmen, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h eingehalten hat, müsste der Abstand immer noch mindestens 24 Meter betragen. Somit ist festzuhalten, dass der vom Bf zur Tatzeit eingehaltene Abstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug von maximal 10 Meter jedenfalls im Sinn des § 18 Abs. 1 StVO 1960 zu gering war und somit das objektive Tatbild verwirklicht ist.

 

Zur subjektiven Tatseite ist auszuführen, dass gemäß § 5 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, soweit die Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Da § 52 GSpG über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt nach § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

 

Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (sog „Ungehorsamsdelikt“).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bf initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht (vgl. VwGH 23.12.1991, 88/17/0010 mwN). Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch das Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die „Glaubhaftmachung“ nicht.

 

Der Bf hat lediglich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht erstmals behauptet, dass der Abstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug mehr als 50 Meter betragen habe, darüber hinaus wurden jedoch keine konkreten Beweismittel angeboten, welche die glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussagen des in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen entkräften hätten können. Somit ist die Tat dem Bf auch in subjektiver Hinsicht vorzuwerfen.

 

 

2.4. Zum Vorwurf des Verstoßes gegen § 18 Abs. 4 StVO 1960:

 

Von keiner Partei bestritten wurde, dass es sich sowohl beim Fahrzeug des Bf als auch bei dem zur Tatzeit vor ihm fahrenden Fahrzeug um ein dem § 18 Abs. 4 StVO 1960 unterfallendes Fahrzeug gehandelt hat.

 

Da das Landesverwaltungsgericht wie bereits mehrfach erwähnt davon ausgeht, dass der Abstand des LKW des Bf zu dem vor ihm fahrenden LKW maximal       10 Meter betragen hat, ist von der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes auszugehen.

 

Zur subjektiven Tatseite wird vollinhaltlich auf die Ausführungen zu § 18 Abs. 1 StVO 1960 unter Pkt. 2.2. verwiesen.

 

Somit steht aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts fest, dass dem Bf auch der Verstoß gegen § 18 Abs. 4 StVO 1960 objektiv und subjektiv vorwerfbar ist.

 

 

2.5. Zur Strafbemessung:

 

Im Verwaltungsstrafverfahren erfolgt die Strafbemessung im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Strafdrohungen, wobei innerhalb dieses gesetzlichen Strafrahmens die Strafbehörden eine Ermessensentscheidung zu treffen haben. Die Ermessensausübung der Strafbehörden wird durch § 19 VStG determiniert (VwGH 12.12.2001, 2001/03/0027). Die Behörde ist verpflichtet, die Strafbemessung in nachvollziehbarer Weise zu begründen, d.h. die bei der Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit darzulegen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfbarkeit durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich ist (VwGH 17.10.2008, 2005/12/0102).

 

Die belangte Behörde hat jeweils eine Geldstrafe von 200 Euro über den Bf verhängt und die Höhe der verhängten Strafe vor allem mit dem erheblichen Unrechtsgehalt der begangenen Verwaltungsübertretungen begründet.

 

Gegen den Bf scheinen keine einschlägigen Verwaltungsvorstrafen auf, was im vorliegenden Fall mildernd zu berücksichtigen ist. Erschwerungsgründe sind keine hervorgekommen.

Das Landesverwaltungsgericht teilt die Feststellungen der belangten Behörde zum Unrechtsgehalt der Tat, allerdings ist die Unbescholtenheit des Bf mildernd zu berücksichtigen. In diesem Sinn werden die verhängten Geldstrafen von jeweils 200 Euro auf jeweils 170 Euro herabgesetzt. Die somit verhängten Geldstrafen scheinen tat- und schuldangemessen und in spezialpräventiver Sicht als ausreichend.

 

 

2.6. Die Entscheidung über die Kosten ist in den im Spruch angeführten Gesetzesstellen begründet. 

 

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

V.           Zu Spruchpunkt III. - Revision:

 

Die ordentliche Revision des Beschwerdeführers ist auf der Grundlage des § 25a Abs. 4 VwGG nicht zulässig – gemäß dieser Bestimmung ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs.6 Z.1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde.

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

H i n w e i s

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Katja Hörzing