LVwG-410909/15/HW

Linz, 09.11.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Wiesinger über die Beschwerde des Vereins G., x, G., ZVR-Zahl 004431152, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F. M., gegen den Bescheid der Bezirks­hauptmannschaft Grieskirchen vom 17. Juli 2015, Pol96-71-2015, wegen einer Betriebsschließung nach dem Glückspielgesetz

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

 

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 17. Juli 2015, Pol96-71-2015, wurde die gänzliche Schließung des Vereinslokals des Vereins G. mit dem Betriebsstandort x, G., mit Wirkung 17. Juli 2015 angeordnet.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Verein G. (in der Folge kurz „Bf“ genannt) Beschwerde erhoben, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

 

I.3. Mit Schreiben vom 19. August 2015 übermittelte die belangte Behörde unter gleichzeitiger Vorlage der Beschwerde den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

I.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie durch Durchführung einer münd­lichen Verhandlung.

 

I.4.1. Danach geht das Landesverwaltungsgericht von folgendem für die Entscheidung wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Am 27. Juni 2015 wurde von der Finanzpolizei eine Kontrolle im vom Bf betriebenen Lokal am Standort x, G., durchgeführt. Es wurden bei dieser Kontrolle Geräte vorgefunden, aufgrund derer aus Sicht der kontrollierenden Finanzpolizei der Verdacht auf die Durchführung von verbotenen Ausspielungen bestand (Anzeige vom 2. Juli 2015 samt Beilagen).

 

Die belangte Behörde richtete in der Folge ein an Frau M. S. adressiertes Schreiben, welches unter anderem folgenden Wortlaut aufweist (Schreiben vom 30. Juni 2015):

„[...]

Sehr geehrte Frau S.!

[...]

Wir fordern Sie daher als verantwortliche Obfrau des Vereins ‚G.‘ und somit als Verfügungsberechtigte gemäß § 56a GSpG auf, die entgegen den Bestimmungen des GSpG veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele einzustellen. Sollten in Ihrem Betrieb weiterhin Glücksspiele angeboten bzw. neue verbotene Glücksspielgeräte spielbereit gehalten werden, wird die gänzliche Schließung des Vereinslokales ‚G.‘ an o.a. Adresse verfügt.“

 

M. S. ist Obfrau des Bf und nach den Vereinsstatuten zur Vertretung des Bf befugt. Der Vorstand des Bf besteht aus dem Obmann, dem Schriftführer und dem Kassier und deren Stellvertretern. Dem Vorstand obliegt die Leitung des Vereins und es kommen ihm alle Aufgaben zu, die nicht durch die Statuten einem anderen Vereinsorgan zugewiesen sind. Dem Vorstand obliegt unter anderem die Erfüllung der in § 3 der Statuten (Mittel zur Erreichung des Vereinszwecks) festgelegten Aufgaben (Vereinsstatuten; Vereinsregisterauszug).

 

Am 16. Juli 2015 wurde von der Finanzpolizei eine weitere Kontrolle im vom Bf betriebenen Lokal am Standort x, G., durchgeführt. Auch bei dieser Kontrolle wurden Geräte vorgefunden, aufgrund derer aus Sicht der kontrollierenden Finanzpolizei der Verdacht auf die Durchführung von verbotenen Ausspielungen bestand (Anzeige vom 22. Juli 2015 samt Beilagen).

 

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Juli 2015, Pol96-71-2015, adressiert an den Bf zuhanden Vereinsobfrau M. S., wurde die gänzliche Schließung des Vereinslokals des Vereins G. mit dem Betriebsstandort x, G., mit Wirkung 17. Juli 2015 angeordnet. Dieser Bescheid wurde am 17. Juli 2015 durch das Bezirkspolizei­kommando Grieskirchen, Polizeiinspektion Grieskirchen, zugestellt. Eine Betriebs­schließung an Ort und Stelle gemäß § 56a Abs. 1 GSpG wurde von der belangten Behörde vor der Erlassung des angefochtenen Betriebsschließungsbescheides nicht verfügt (Betriebsschließungsbescheid; Kurzbrief vom 18. Juli 2015).

 

I.4.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den im Akt aufliegenden Unterlagen bzw. den Ergebnissen aus der Verhandlung, wobei die einzelnen Feststellungen vor allem auf den jeweils in Klammer angeführten Beweismitteln beruhen.

 

I.5.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

I.5.2. Gemäß § 56a Abs. 1 GSpG kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung eines Betriebes verfügen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden und mit Grund anzunehmen ist, dass eine Gefahr der Fortsetzung besteht.

 

Nach § 56a Abs. 3 GSpG ist über eine Verfügung nach Abs. 1 binnen drei Tagen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt.

 

I.5.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 56a GSpG ausgeführt (siehe VwGH vom 24.02.2014, 2013/17/0516), dass sich aus § 56a Abs. 1 GSpG ergebe, „dass die Behörde, bevor sie vor Ort eine gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügt, den Verfügungsberechtigten zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen des GSpG veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufzufordern hat. [...] Eine solche Anordnung hat der eigentlichen Betriebs­schließung voranzugehen; sie bildet jedoch bloß eine Tatbestandsvoraussetzung für deren Verfügung.“

 

Gegenständlich ist der Bf Adressat des Betriebsschließungsbescheides und es ist dieser Bescheid auch an den Bf (zuhanden der Vereinsobfrau) ergangen. Die Aufforderung zur Einstellung der Glücksspiele mit Schreiben vom 30. Juni 2015 wurde jedoch an Frau  S. M. adressiert und es wird nach dem Wortlaut des Schreibens auch Frau  S. M. selbst „als verantwortliche Obfrau“ des Bf aufgefordert, „die entgegen den Bestimmungen des GSpG veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele einzustellen“. Die Aufforderung zur Einstellung ist somit an Frau M. S. und nicht an den Bf als Betreiber des verfahrens­gegenständlichen Lokals gerichtet. Es fehlt daher der im angefochtenen Bescheid verfügten Betriebsschließung an der Tatbestandsvoraussetzung einer an den Bf gerichteten Aufforderung zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen des GSpG veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele, sodass die Betriebs­schließung aus diesem Grund aufzuheben war (vgl. VwGH vom 24.02.2014, 2013/17/0516; LVwG vom 22.09.2015, LVwG-410916/3/MS).

 

I.5.4. Selbst wenn man – entgegen den Ausführungen in Punkt I.5.3. – die an die Obfrau des Bf gerichtete Aufforderung vom 30. Juni 2015 als ausreichend im Sinne des § 56a GSpG ansehen würde, so ist der angefochtene Bescheid aber dennoch aus folgendem Grund aufzuheben:

 

§ 56a Abs. 1 GspG räumt den zuständigen Behörden die „Möglichkeit“ ein, bei Vorliegen der in der genannten Bestimmung aufgelisteten Voraussetzungen an Ort und Stelle ohne weiteres Verfahren eine Schließung des ganzen Betriebes oder eines Teiles davon zu verfügen. Darüber hinaus ist in dieser Bestimmung jedoch keine weitere Möglichkeit der Schließung, also ohne vorangegangene Verfügung vor Ort, enthalten. § 56a GSpG kennt also nur ein zweistufiges Schließungsverfahren, nämlich eine Verfügung vor Ort und ein Bescheid innerhalb von drei Tagen (vgl. § 56a Abs. 1 iVm § 56a Abs. 3 GSpG), ein anderes Schließungsszenario ist aus der Bestimmung des § 56a GSpG nicht abzuleiten (vgl. auch den Newsletter Glücksspiel [Oktober 2015] der zuständigen Fach­abteilung des Bundesministeriums für Finanzen und der Finanzpolizei: Die Verfügung ist keine Option, sondern notwendig [sie bildet die Grundlage für den schriftlichen Bescheid]).

 

Im gegenständlichen Fall wurde eine Schließung des verfahrensgegenständlichen Betriebes aber nicht unmittelbar an Ort und Stelle gemäß § 56a Abs. 1 GSpG durch die Behörde verfügt. Vielmehr wurde die auf § 56a GSpG gestützte Schließung sogleich (erstmals) durch den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde angeordnet, ohne dass zuvor an Ort und Stelle eine entsprechende Verfügung nach § 56a Abs. 1 GSpG ausgesprochen worden wäre. Mangels vorangegangener Verfügung durch die Behörde gemäß Abs. 1 des § 56a GSpG ist der bekämpfte Bescheid daher rechtswidrig (vgl. bereits LVwG vom 14.08.2015, LVwG-410696/11/MS) und es ist dieser Bescheid daher auch aus diesem Grund aufzuheben.

 

I.5.5. Es ist somit spruchgemäß der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben.

 

 

II. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da – soweit ersichtlich – noch keine Rsp des VwGH zur Frage vorliegt, ob eine Betriebsschließung mittels Bescheid gemäß
§ 56a GSpG auch ohne vorangegangene Verfügung nach § 56a Abs. 1 GSpG zulässig ist.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Wiesinger