LVwG-750038/2/BP/WU
Linz, 24.01.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, geb. X, StA von Mazedonien, vertreten durch X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 20. November 2013, AZ. 1051435/FRB, mit dem unter I. ein Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung eines mit Bescheid der vormaligen Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 13. Februar 2007, zu Zl. St 132/06, unbefristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen sowie unter II. ein Eventualantrag vom 30. Oktober 2013, bezeichnet als „Anregung auf Neufassung der Dauer des Aufenthaltsverbotes gemäß § 68 Abs. 2 AVG“ zurückgewiesen wurde, zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012, wird die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen; hinsichtlich Spruchpunkt II. wird der Beschwerde stattgegeben und dieser ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs.4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Bescheid der vormaligen Bundespolizeidirektion Linz vom 14. Juni 2006, zu AZ. 1051435/FRB, wurde über den nunmehrigen Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Eine dagegen erhobene Berufung wies die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich mit Bescheid vom 13. Februar 2007 ab und bestätigte rechtskräftig das in Rede stehende Aufenthaltsverbot mit der Maßgabe, dass die Dauer auf unbefristet erweitert wurde.
Ende des Jahres 2009 reiste der Bf aus dem Bundesgebiet aus.
2. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 20. November 2013 wurde unter Spruchpunkt I. ein Antrag des Bf vom 31. Mai 2013 auf Aufhebung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes abgewiesen.
Weiters wurde unter Spruchpunkt II. der Eventualantrag vom 30. Oktober 2013, bezeichnet als „Anregung auf Neufassung der Dauer des Aufenthaltsverbotes gemäß § 68 Abs. 2 AVG“ zurückgewiesen.
Darin führt die Behörde begründend ua. aus:
3. Gegen diesen - am 28. November 2013 zugestellten - Bescheid richtet sich die vorliegende, durch den bevollmächtigten Vertreter des Bf rechtzeitig am 3. Dezember 2013 eingebrachte Berufung, die nunmehr als Beschwerde zu gelten hat.
Eingangs werden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, das Aufenthaltsverbot aufzuheben; in eventu Spruchpunkt II mangels Vorliegen eines Antrags zu beheben.
Begründend wird Folgendes ausgeführt:
(...)
Der Berufung beigelegt sind Kopien des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vom 30.10.2013, eines Arbeitsvorvertrages, eines Ausweises von X, einer Heiratsurkunde vom 9.6.2011 und von beglaubigten Übersetzungen eines Diploms (Prüfung Gastwirt – Koch) vom 30.10.2012 und einer Bestätigung über den Besuch eines Kurses vom 30.10.2012.
4. Die Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (vormals UVS) mit Schreiben vom 6. Dezember 2013 zur Entscheidung vor.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 9 Abs. 7 FPG abgesehen werden, zumal der Fremde derzeit im Ausland aufhältig ist und der entscheidungswesentliche Sachverhalt völlig unbestritten und geklärt feststeht und auch die Akten erkennen lassen, dass eine allfällige weiterführende Erörterung für den Sachverhalt ergebnisneutral wäre.
5. Das Landesgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten I 2. und I 3. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.
II.
Weder im Rahmen des angefochtenen Bescheides noch der Vorlage des Aktes ist die belangte Behörde insbesondere dem Umstand entgegengetreten, dass der Bf sich seit dem Jahr 2009 (nach Entlassung aus der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher wohlverhalten hat und nicht wieder straffällig geworden ist. Genauso werden die Anmerkungen im Antrag zu den Privat- und Familienverhältnissen des Bf nicht in Zweifel gezogen, sondern explizit als glaubhaft bezeichnet.
III.
1.1.1. Gemäß § 125 Abs. 21 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 68/2013, läuft, sofern eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz, gegen die eine Berufung zulässig ist, vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen worden ist, die Berufungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2013 noch und wurde gegen diese Entscheidung nicht bereits bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 Berufung erhoben, so kann gegen diese vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 15. Jänner 2014 Beschwerde beim jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht erhoben werden. Das Landesverwaltungsgericht hat in diesen Fällen dieses Bundesgesetz in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden. Eine gegen eine solche Entscheidung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gilt als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG.
Gemäß Abs. 22 leg. cit. sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei einem Unabhängigen Verwaltungssenat der Länder anhängigen Berufungsverfahren und Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach diesem Bundesgesetz ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.
1.1.2. Es ist sohin gemäß § 125 Abs. 22 FPG zur Beurteilung des vorliegenden Falles das Fremdenpolizeigesetz in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012 heranzuziehen.
1.2. Gemäß § 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 50/2012 sind eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
2. Im vorliegenden Fall wies die belangte Behörde einen Antrag des Bw auf Aufhebung des im Jahr 2007 gegen ihn auf unbefristete Dauer erlassenen Aufenthaltsverbotes ab. Unbestritten ist, dass der Bf vor der Erlassung der Maßnahme über einen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfügte.
Nach aktueller Rechtslage müsste somit derzeit ein Aufenthaltsverbot auf § 63 iVm. § 53 Abs. 2 oder 3 FPG gestützt werden, zumal der Bf nicht unter den begünstigten Adressatenkreis der § 65ff. zu zählen ist.
Aus der Überschrift des 5. Abschnittes vor § 68 FPG "Gemeinsame Verfahrensbestimmungen für Ausweisungen Aufenthaltsverbote" wird deutlich, dass Aufenthaltsverbote, sei es auf § 63, sei es auf § 67 FPG gestützt, nach § 69 Abs. 2 FPG hinsichtlich der Aufhebung einer Überprüfung zuzuführen sind. Somit hat die Behörde zurecht diese Gesetzesgrundlage herangezogen.
3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem inhaltlich mit dem aktuellen § 69 Abs. 2 FPG vergleichbaren § 65 Abs. 1 FPG in der vorhergehenden Fassung kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung der Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist.
Bei dieser Beurteilung ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose weiterhin zu treffen ist, sodass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grunde des nunmehrigen § 61 FPG (Schutz des Privat- und Familienlebens) zulässig ist.
Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides nur zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind (vergl. VwGH vom 24.2.2009, 2008/22/0587 und vom 10.11.2009, 2008/22/0848).
3.2. Im vorliegenden Fall ist also zunächst zu überprüfen, ob Umstände eingetreten sind, die einen Wegfall der bei der Verhängung des Aufenthaltsverbotes angenommenen Gefährdung der öffentlichen Interessen durch den Aufenthalt des Bf im Bundesgebiet bewirken.
Die ursprüngliche Gefährlichkeitsprognose gründete im Wesentlichen auf der Tatsache, dass der Bf immerhin in 7 Fällen Sexualdelikte beging, was an sich schon als massive Gefährdung öffentlicher Interessen einzustufen war und ist. Der Bf wurde aufgrund dieser Straftaten auch bis zum Jahr 2009 in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher interniert. Wenn er nun anführt, dass er aus dieser entlassen wurde, was schon einen Wegfall der Gefährlichkeitsprognose darstellen würde und wenn er weiters ausführt, dass sich sein Leben durch die Heirat, die Geburt seiner Tochter und seine Berufsausbildung in Mazedonien völlig stabilisiert hätten, ist ihm nur teilweise zu folgen.
Es könnte als ein Indiz für eine geänderte Prognose gewertet werden, wenn wie im Gutachten aus dem Jahr 2009 die aktuelle Gefährdung insoweit niedriger eingeschätzt wird, als eine Entlassung aus der Anstalt als möglich angesehen wurde.
Im Gerichtsbeschluss vom 21. November 2009 wurde unter anderem ausgeführt, dass aufgrund des Gutachtens von X in Zusammenschau von psychiatrischer Eindrucksdiagnostik und klinisch-psychologischen Testbefunden zwar eine psychische Krankheit bestehe, jedoch ein fassbarer Reifungsprozess in der Persönlichkeit feststellbar sei. Die Prognoseinstrumente weisen auf ein leicht- bis mittelgradiges Rückfallrisiko auf ein weiteres Gewaltdelikt hin. Unter Berücksichtigung des Alters des BW und der günstigen Therapieprognose, die ein gutes Veränderungspotential zeigten, sollten die therapeutischen Maßnahmen (bei einem Verbleib in Österreich) fortgesetzt werden.
Festzuhalten ist aber auch, dass der Entlassung eine Probezeit von 5 Jahren, die im Übrigen noch nicht verstrichen ist, zugrunde gelegt wurde. Weiters ist anzumerken, dass auch jenes vom Bf ins Treffen geführte Gutachten von einer gewissen Rückfallswahrscheinlichkeit ausgeht, die nicht zu vernachlässigen ist.
Zudem ergibt sich aus der Aktenlage, dass betreffend den Bf vor der in Rede stehenden Verurteilung schon ein Verfahren wegen einer gleichgelagerten Straftat und eines wegen anderer Delikte durch Diversion abgeschlossen wurden. Die 7 Straftaten gemäß § 202 Abs. 1 StGB fanden weiters in einem mehrmonatigen Zeitraum statt.
Es ist zwar auch anzuführen, dass die Lebensführung des Bf in Mazedonien offenbar eine gewisse Stabilisierung aufweist, dass aber angesichts von lediglich 4 Jahren die Nachhaltigkeit dieser Schritte noch unzureichend dokumentiert ist. Der belangten Behörde folgend ist festzuhalten, dass es noch eines mittelfristigen Zeitraums bedürfen wird, um vom gänzlichen Wegfall der Gefährdung ausgehen zu können. Ein derartiger Zeitraum würde die durch die geänderte Rechtslage im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG ohnehin keinesfalls übersteigen. Jedenfalls wird angezeigt sein, die 5-jährige Probezeit gänzlich verstreichen zu lassen. Dem steht auch nicht entgegen, dass in Betracht zu ziehen ist, dass der Bf einen gewissen Reifungsprozess durchschritten hat. Es bleibt aber auch der Umstand, dass er – wie im Gutachten ausgeführt – nicht als psychisch gesund erkannt werden kann, weshalb das Ausschöpfen der Probezeit jedenfalls angezeigt sein wird.
Zum jetzigen Zeitpunkt mangelt es für die Aufhebung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes betreffend die Annahme geänderter Umstände an deren Nachhaltigkeit.
4. Aus dem Akt ergibt sich zunächst klar, dass seit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes Änderungen im Privat- und Familienleben des Bf eingetreten sind. Allerdings betreffen diese nicht seine Integration im Inland, sondern ergaben sich während des Aufenthalts in seinem Heimatland. Lediglich der Umstand, dass er über eine Arbeitszusage in Österreich verfügt stellt ein novum dar, dass aber bei einer Interessensabwägung nach § 61 FPG nicht den Ausschlag geben könnte. Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, dass sowohl der Umstand seines vorherigen Aufenthalts in Österreich und der damit verbundenen Integration, der Präsenz von Familienmitgliedern im Inland schon bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes bekannt waren. Es sind also keine entscheidungsrelevanten Änderungen des Privat- und Familienlebens im Bundesgebiet zu konstatieren, weshalb eine diesbezügliche Abwägung unterbleiben kann.
5.1. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Beschwerde betreffend Spruchpunkt I als unbegründet abzuweisen war.
Hinsichtlich der Zurückweisung des Antrags auf Neufestsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes hat der Bf nunmehr in der Beschwerde klargestellt, dass er seine ursprüngliche Anregung nicht als formalen Antrag verstanden wissen will, weshalb Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides gänzlich aufzuheben war.
5.2. Nachdem der Bw über gute Deutschkenntnisse verfügt, konnte gemäß § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung dieses Erkenntnisses verzichtet werden.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Bernhard Pree