LVwG-750018/2/Sr/Jo
Linz, 24.01.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, geboren am X, kroatischer Staatsangehöriger, vertreten durch X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels, vom 12. November 2013, GZ.: 1031418/FP/13, betreffend die Verhängung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer nach dem Fremdengesetz zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. den §§ 64 und 67 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012, wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 12. November 2013, AZ.: 1031418/FP/13, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 67 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde dem Bf von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.
Nach Darstellung der Rechtslage nahm die belangte Behörde auf die gerichtlichen Verurteilungen der Jahre 2010 und 2013 Bezug und stellte den bisherigen Verfahrensgang dar.
Zum Sachverhalt führte die belangte Behörde aus, dass sich der Bf rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, seit dem Jahr 1990 in Österreich lebt, 1994 geheiratet hat und seine drei Kinder (im Alter von 22, 18 und 13 Jahren) in Österreich geboren sind.
Aus den Verurteilungen der Jahre 2010 und 2013 leitete die belangte Behörde eine „schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“ ab. Umfassend setzte sich die belangte Behörde mit der Suchtgiftproblematik auseinander.
Die Rückkehr in den Herkunftsstaat wurde trotz weitreichender Integration als zumutbar angesehen.
Zu Art. 8 EMRK führte die belangte Behörde aus:
2. Gegen diesen, zuhanden des Rechtsvertreters am 19. November 2013 zugestellten, Bescheid erhob der rechtsfreundlich vertretende Bf rechtzeitig Berufung (Poststempel: 29. November 2013).
Einleitend focht der Bf den Bescheid vollinhaltlich an und begehrte die ersatzlose Behebung.
Nach Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Bescheides wies der Bf darauf hin, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im vorliegenden Fall nur zulässig sei, wenn ausgegangen werden könne, dass die öffentliche Sicherheit nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Die gerichtlichen Verurteilungen des Bf seien auf dessen Eheprobleme zurückzuführen. Der Bf habe sich mehr als 20 Jahre strafrechtlich völlig unauffällig verhalten und sich nichts zuschulden kommen lassen. Von einer nachhaltigen und maßgeblichen Gefährdung könne keinesfalls ausgegangen werden.
Weiters hätte dem Bf vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft verliehen werden können. Der Bf habe über 20 Jahre ausschließlich in Österreich gearbeitet, sich hier rechtmäßig aufgehalten, in Österreich geheiratet und seine Kinder würden hier leben. Die privaten und familiären Interessen seien daher als höherrangig anzusehen.
3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 4. Dezember 2013 zur Entscheidungsfindung vor.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG konnte die öffentliche Verhandlung entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten I 1. und I 2. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.
II.
Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig.
III.
1.1.1. Gemäß § 125 Abs. 21 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 68/2013, läuft, sofern eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz, gegen die eine Berufung zulässig ist, vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen worden ist, die Berufungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2013 noch und wurde gegen diese Entscheidung nicht bereits bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 Berufung erhoben, so kann gegen diese vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 15. Jänner 2014 Beschwerde beim jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht erhoben werden. Das Landesverwaltungsgericht hat in diesen Fällen dieses Bundesgesetz in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden.
Eine gegen eine solche Entscheidung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gilt als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG.
Gemäß Abs. 22 leg. cit. sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei einem Unabhängigen Verwaltungssenat der Länder anhängigen Berufungsverfahren und Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach diesem Bundesgesetz ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.
1.1.2. Es ist sohin gemäß § 125 Abs. 22 FPG zur Beurteilung des vorliegenden Falles das Fremdenpolizeigesetz in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012 heranzuziehen.
1.1.3. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2012, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
1.1.4. Beim Bf handelt es sich um einen kroatischen Staatsangehörigen, also um eine dem Adressatenkreis des § 67 FPG zurechenbare Person, weshalb diese Bestimmung auch zur Überprüfung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes heranzuziehen ist.
Unbestritten ist der Bf seit dem Jahr 1990 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und überschreitet sohin den 10-jährigen Aufenthalt im Sinne des vorletzten Satzes des § 67 Abs. 1 FPG, weshalb diese Bestimmung auch zur Anwendung zu bringen ist.
2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung – nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bf aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich zu gefährden.
Maßgeblich ist dabei aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bf hinkünftig rechtskonform verhalten wird.
2.2. Es ist wohl unbestreitbar, dass ein Verhalten, wie es der Bf an den Tag legte, absolut geeignet ist die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden. Wie schon die belangte Behörde zu Recht aufgezeigt hat, stellt das persönliche Verhalten des Bf eine „schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“ dar. Mit dem weiteren Erfordernis, ob diese Gefahr auch gegenwärtig gegeben ist, hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt.
Selbst wenn man vom Vorliegen der Voraussetzungen (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr) ausgehen würde, wäre der belangten Behörde im Hinblick auf § 67 Abs. 1 5. Satz FPG nicht zu folgen.
Der Bf ist EWR-Bürger und hält sich seit 1990 rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Da er seit mehr als zehn Jahren seinen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, ist ein Aufenthaltsverbot gegen ihn nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens davon auszugehen ist, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Die belangte Behörde ist weder von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich noch von einer nachhaltigen und maßgeblichen Gefährdung ausgegangen. Der vorliegende Sachverhalt lässt eine solche Beurteilung auch nicht zu. In ständiger Rechtsprechung ist auch der Verwaltungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen zu diesem Ergebnis gekommen und hat keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erkannt.
2.3. Das gegenständliche Beschwerdeverfahren weist darüber hinaus eine Besonderheit auf. Der Bf ist durch den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union erst seit Mitte 2013 als EWR-Bürger im Sinne des FPG zu betrachten. Bevor ihm diese besondere verfahrensrechtliche Stellung zuteil wurde, hätte gegen ihn ein Aufenthaltsverbot überhaupt nicht mehr erlassen werden dürfen, da er gemäß § 64 Abs. 1 FPG als aufenthaltsverfestigt zu betrachten war.
3. Da der Bf die in § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG normierten Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht erfüllt war der angefochtene Bescheid aufzuheben.
IV.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Stierschneider