LVwG-700005/2/Sr/WU
Linz, 21.01.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, geboren am X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 15. Oktober 2013, Sich96-110-2013, wegen einer Übertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1.1. Im Zuge der Sachverhaltsaufnahme wegen Körperverletzung in der PI X am 27. Juni 2013 um 00.20 Uhr bezeichnete der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) die amtshandelnden Polizeibeamten als „Arschlöcher“ und korrupt.
Auf Grund dieser Beschimpfungen erstatteten die beiden Polizeibeamten eine Anzeige wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs. 1 Oö.PolStG (Anstandsverletzung) an die belangte Behörde und führten dabei aus, dass der Bf durch sein Verhalten in der Öffentlichkeit einen großen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten gesetzt habe.
1.2. Die belangte Behörde erließ gegen den Bf die Strafverfügung vom 16. Juli 2013.
Darin wurde dem Bf folgender Vorwurf gemacht:
„Sie haben am 27.6.2013 um 00.20 Uhr in X, Polizeiinspektion, durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört, indem Sie die amtshandelnden Polizeibeamten als korrupt bezeichneten und mit den Worten: `Ihr könnt mich ruhig anzeigen, ihr Arschlöcher´ beschimpften.“
Innerhalb offener Frist hat der Bf dagegen Einspruch erhoben. Zum Tatvorwurf brachte der Bf vor, dass das Verhalten des Polizeibeamten unfair gewesen sei und man es korrupt nennen könne. Er habe zum Polizeibeamten lediglich gesagt, „ob er leicht korrupt“ sei oder den Lokalbesitzer schützen wollte und ob er „abgeschmiert“ sei. Ob er „ihr Arschlöcher“ gesagt habe, wisse er nicht.
1.3. Nach Einleitung des ordentlichen Verfahrens wurde der Polizeibeamte X am 8. August 2013 als Zeuge niederschriftlich einvernommen.
Zum Tatvorwurf befragt, gab der Zeuge an, dass der Bf mit ihm bis zum Eintreffen der Rettung „diskutiert“ und ihn in diesem „Zusammenhang“ „korrupt, abgeschmiert und ein Arschloch“ genannt habe. Den Ausdruck „Arschloch“ habe er nochmals wiederholt. Daraufhin habe er den Bf aufgefordert das Eintreffen der Rettung vor der PI abzuwarten. Der Aufforderung sei der Bf nachgekommen.
Nach Gewährung des Parteiengehörs sprach der Bf am 27. August 2013 bei der belangten Behörde vor und teilte mit, dass er bei seinem Vorbringen bleibe.
1.4. Im Straferkenntnis vom 15. Oktober 2013, GZ Sich96-110-2013, wiederholte die belangte Behörde den in der Strafverfügung formulierten Tatvorwurf und verhängte gegen den Bf wegen Verletzung des § 81 Abs. 1 SPG eine Geldstrafe in der Höhe von 75 Euro. Für den Fall der Uneinbringlichkeit setzte die belangte Behörde eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden fest.
In der Begründung sah die belangte Behörde den im Spruch angeführten Sachverhalt durch die Angaben in der Anzeige und durch das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens als erwiesen an. Die Angaben des Polizeibeamten wurden glaubwürdiger als jene des Bf gewertet. Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ging die belangte Behörde von einem schuldhaften Verstoß des Bf gegen § 81 SPG aus. Bei der Strafbemessung stelle sie auf § 19 VStG ab.
2. Das vorliegende Straferkenntnis wurde dem Bf am 16. Dezember 2013 zu eigenen Handen zugestellt. Innerhalb offener Frist hat der Bf vor der belangten Behörde Berufung erhoben.
II.
Mit Schreiben vom 8. Jänner 2014 legte die belangte Behörde den Verwaltungsstrafakt vor.
III.
Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsicht in den Vorlageakt und die Schriftsätze des Bf.
Der festgestellte relevante Sachverhalt ist unbestritten.
IV.
1.1. Nach § 3 Abs. 1 letzter Satz VwGbk-ÜG gilt eine bis 31. Dezember 2013 erhobene Berufung als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG.
Die Berufung des Bf wurde fristgerecht vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erhoben und gilt daher als rechtzeitig erhobene Beschwerde.
1.2. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.
2.1. Im Sinne von § 81 Abs. 1 SPG ist jedes menschliche Verhalten tatbildlich, das als besonders rücksichtslos qualifiziert werden kann. Rücksichtsloses Verhalten ist ein Verhalten, das gegen jene ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit verstößt, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander angesehen wird. Die besondere Rücksichtslosigkeit ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Ein Verhalten, das unter bestimmten Umständen hinzunehmen ist, kann unter anderen Umständen besonders rücksichtslos sein. Demnach ist die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört, wenn ein Zustand hergestellt worden ist, welcher der Ordnung widerspricht, wie sie an einem öffentlichen Ort gefordert werden muss oder wenn ein Zustand geschaffen wird, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht. Jedenfalls muss durch das tatbildliche Verhalten entweder der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder aber ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein (Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4 (2011) Rz A.4. ff zu § 81 SPG).
Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa die Verhaltensweise des lauten Schreiens mit einem Exekutivorgan (vgl. VwGH vom 26. April 1993, Zl. 92/10/0130 und VwGH vom 11. November 1985, Zl. 84/10/0227) als einschlägig im Sinne des Art. IX Abs. 1 Z 1 EGVG qualifiziert, der durch den Straftatbestand des § 81 SPG abgelöst wurde (vgl. BGBl. Nr. 143/1992).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Tatbestandselement der tatsächlichen Störung der öffentlichen Ordnung überdies nur dann verwirklicht, wenn das Verhalten des Beschuldigten und seine Äußerungen von anderen Personen als den unmittelbar Betroffenen und intervenierenden Beamten wahrgenommen werden kann.
2.2. Weder aus dem Vorlageakt noch aus den Schriftsätzen des Bf geht hervor, dass die Äußerungen des Bf auch von anderen Personen als den einschreitenden Beamten wahrgenommen werden konnten.
Im Hinblick auf die Ausführungen der Polizeibeamten und auf den Tatzeitpunkt (00.20 Uhr) ist davon auszugehen, dass sich keine weiteren Personen in der PI befunden haben. Dass die öffentliche Ordnung tatsächlich gestört worden ist, haben nicht einmal die einschreitenden Polizeibeamten festgestellt, da sie lediglich eine Anzeige wegen einer Anstandsverletzung erstattet haben.
Die belangte Behörde hat das Verhalten des Bf im Sinne der Spruchausführungen als Störung der öffentlichen Ordnung gewertet. Im Ermittlungsverfahren ist jedoch nicht einmal ansatzweise hervorgekommen, dass die Äußerungen des Bf von Dritten wahrgenommen werden konnten. Die niederschriftliche Befragung der Polizeibeamten hat ausschließlich ergeben, dass sich der Bf einer beleidigenden Ausdrucksweise bedient hat und im Anschluss daran aus der PI gewiesen worden ist. Ebenso wenig findet sich ein Hinweis, dass es durch die Äußerungen des Bf zu einer Störung des üblichen Dienstbetriebes in der PI gekommen ist.
Anzumerken ist, dass die Verwaltungsübertretung des § 81 Abs. 1 SPG ein Erfolgsdelikt bildet. Das tatbildliche Verhalten des Bf muss daher zusätzlich einen bestimmten Erfolg auslösen, nämlich die öffentliche Ordnung stören.
3. Der Bf hat die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen, da weder seine Äußerungen von Dritten wahrgenommen werden konnten noch der geforderte Erfolg eingetreten ist; somit war der Beschwerde stattzugegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Stierschneider