LVwG-400005/3/Gf/Rt
Linz, 08.01.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Gróf über die Beschwerde des L gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 17. Juni 2013, Zl. VerkR96-6220-2012, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG i.V.m. § 28 Abs. 5 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 17 VwGVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
II. Der Beschwerdeführer hat weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde (§ 66 Abs. 1 VStG) noch ein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (vgl. § 52 Abs. 9 VwGVG) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 4 Z. 2 VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 letzter Satz B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 17. Juni 2013, Zl. VerkR96-6220-2012, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 19 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 15 Euro) verhängt, weil er am 27. August 2012 um 11:10 Uhr auf der Autobahn A 8 im Gemeindegebiet von Suben ein mehrspuriges KFZ mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 t gelenkt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, da die am Fahrzeug angebrachte Vignette bereits abgelaufen gewesen sei. Dadurch habe er eine Übertretung des § 11 Abs. 1 des Bundesstraßen-Mautgesetzes, BGBl.Nr. I 109/2002 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 135/2008 (im Folgenden: BStMG), begangen, weshalb er nach § 20 Abs. 1 BStMG zu bestrafen gewesen sei.
Dieses dem Rechtsmittelwerber angelastete Tatverhalten sei auf Grund der Anzeige der ASFINAG als erwiesen anzusehen.
Da im Zuge der Strafbemessung die gesetzliche Mindeststrafe ohnehin bis zur Hälfte unterschritten worden sei, habe auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers nicht mehr Bedacht genommen werden müssen.
2.1. Wann ihm dieses Straferkenntnis zugestellt wurde, lässt sich im Nachhinein mangels entsprechender Belege nicht mehr objektiv nachvollziehen; es ist daher zu Gunsten des Rechtsmittelwerbers davon auszugehen, dass seine am 21. Juli 2013 per E-Mail eingegangene Beschwerde rechtzeitig erhoben wurde.
2.2. In der Sache weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass er ohnehin bereits 120 Euro einbezahlt habe und daher die eingemahnten 50 Euro nicht zuordnen könne, zumal über seinen Einspruch vom 5. Oktober 2012 noch nicht entschieden worden sei. Außerdem habe er ohnehin den fälligen Mautbetrag begleichen wollen; dies sei jedoch ausschließlich aus technischen Gründen, nämlich daran gescheitert, dass das Gerät des Kontrollorganes die funktionsfähige Kreditkarte des Rechtsmittelwerbers nicht akzeptiert habe.
Daher wird – erschließbar – die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.
II.
1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Schärding zu Zl. VerkR96-6220-2012.
Da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 44 Abs. 3 Z. 3 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.
2. Weil im BStMG Abweichendes nicht angeordnet ist, hatte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B‑VG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.
III.
In der Sache selbst hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich über die vorliegende Beschwerde erwogen:
1. Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG beging derjenige eine Verwaltungsübertretung und war hierfür mit einer Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen, der als Kraftfahrzeuglenker eine Mautstrecke – hierzu zählen nach § 1 Abs. 1 und Abs. 4 BStMG sämtliche als solche gekennzeichneten Bundesstraßen – benützte, ohne die nach § 10 BStMG geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben.
Davon ausgehend, dass die Maut gemäß § 2 BStMG entweder für zurückgelegte Fahrstrecken (fahrleistungsabhängige Maut) oder für bestimmte Zeiträume (zeitabhängige Maut) zu entrichten ist, unterlag die Benützung einer Mautstrecke mit einem mehrspurigen Kraftfahrzeug, dessen höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t betrug, nach § 10 BStMG einer zeitabhängigen Maut. Diese war gemäß § 10 Abs. 1 BStMG durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.
2.1. Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer beim Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 t auf der Autobahn A 8 betreten.
Dies wird zum einen schon von ihm selbst gar nicht in Abrede gestellt, wenn er in seiner Beschwerde darauf hinweist, einen Teil der fälligen Maut bereits beglichen zu haben.
Zum anderen ergibt sich dies auch aus der Anzeige der ASFINAG vom 27. August 2012, Zl. 110510969660, aus der hervorgeht, dass der Rechtsmittelwerber bei einer Kontrolle auf der Autobahn A 8 von einem Aufsichtsorgan betreten wurde (vgl. S. 2).
In Würdigung dieser Umstände kann es daher als erwiesen angesehen werden, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt mit einem PKW, der – allseits unbestritten – ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von weniger als 3,5 t aufwies, die Autobahn A 8 benutzt hat.
2.2. Die Autobahn A8 zählte nach Teil A, Pkt. 2.1 (Seite 9), der auf § 14 BStMG basierenden „Mautordnung für die Autobahnen und Schnellstraßen Österreichs“ in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Version 32[1] (im Folgenden kurz: MautO V 32) zum Tatzeitpunkt zu den mautpflichtigen Bundesstraßen.
Der Beschwerdeführer war daher nach § 10 erster Satz BStMG dazu verpflichtet, für die Benützung der A 8 mit seinem ein nicht über 3,5 t höchstzulässiges Gesamtgewicht aufweisenden KFZ eine zeitabhängige Maut zu entrichten.
2.3. Zur Frage, ob diese Maut ordnungsgemäß entrichtet wurde, blieb von den Verfahrensparteien unbestritten, dass der Beschwerdeführer eine mit dem Datum „16. August 2012“ gelochte 10-Tages-Vignette aufgeklebt hatte.
Hinsichtlich der Gültigkeitsdauer legt § 11 Abs. 2 fünfter Satz BStMG ausdrücklich fest, dass eine 10-Tages-Vignette (nur) während 10 aufeinanderfolgender Kalendertage zur Benützung aller Mautstrecken berechtigt.
Erster Gültigkeitstag war im gegenständlichen Fall sohin der 16. August 2012, sodass davon ausgehend die Gültigkeitsdauer der Vignette bereits am 25. August 2012 um 24:00 Uhr endete.
Daher lag zum Zeitpunkt der Betretung (27. August 2012, 11:10 Uhr) keine ordnungsgemäße Entrichtung der zeitabhängigen Maut und sohin auch ein tatbestandsmäßiges Verhalten i.S.d. § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 BStMG vor.
Angesichts dieser Umstände kann es daher objektiv betrachtet keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, es als erwiesen anzusehen, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf die ihm konkret angelastete Übertretung (nicht ordnungsgemäße Entrichtung der zeitabhängigen Maut am 27. August 2012 um 11:10 Uhr auf der Autobahn A 8 im Gemeindegebiet von Suben deshalb, weil am Fahrzeug nur eine bereits abgelaufene Vignette angebracht war) tatbestandsmäßig handelte.
2.4. Hinsichtlich des Verschuldens ist ihm zumindest fahrlässiges und damit schuldhaftes Handeln vorzuwerfen, weil von einem durchschnittlichen KFZ-Lenker insbesondere verlangt werden kann, dass er sich vor Fahrtantritt darüber Gewissheit verschafft, ob die Mautvignette in zeitlicher Hinsicht noch gültig ist.
Seine Strafbarkeit ist daher grundsätzlich gegeben.
2.5. Im Zuge der Strafbemessung ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis die gesetzliche Mindeststrafe unter Heranziehung des § 20 VStG bereits bis zur Hälfte unterschritten hat; dies jedoch zum anderen deshalb, weil sie den Umstand, dass die Bezahlung der Ersatzmaut nur daran scheiterte, dass „die EC-Karte vom Gerät nicht akzeptiert wurde“, als mildernd gewertet hat.
2.5.1. Indem die belangte Behörde sohin offenkundig davon ausgeht, dass der Rechtsmittelwerber die in Teil A, Pkt. 10.3.2. (S. 22), MautO V 33 vorgesehene Ersatzmaut von 120 Euro per Kreditkarte bezahlen wollte, gesteht sie damit aber unter einem zu, dass der Beschwerdeführer eine Zahlungsart, wie sie durch Teil A, Pkt. 10.3.4. (S. 22), MautO 33 i.V.m. Anhang 2 Pkt. 1.2 (S. 2) zur MautO V 33 explizit als zulässig erklärt ist, in Anspruch nehmen wollte.
Angesichts dieser Faktenlage hat es aber nicht der Beschwerdeführer, sondern vielmehr die ASFINAG zu vertreten, dass keine Entrichtung einer Ersatzmaut erfolgen konnte (bzw. hätte es der belangten Behörde oblegen, einen Nachweis dahin zu führen, dass das von Aufsichtsorgan verwendete Kartenlesegerät ohnehin funktionsfähig war; dass der Rechtsmittelwerber tatsächlich gar nicht dazu bereit war, die Ersatzmaut zu bezahlen; o.Ä.; was jedoch nicht erfolgte).
2.5.2. Indem § 20 Abs. 3 BStMG anordnet, dass (u.a.) Taten gemäß § 20 Abs. 1 straflos werden, wenn der Mautschuldner (u.a.) nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 BStMG der Aufforderung zur Zahlung der in der Mautordnung festgesetzten Ersatzmaut – z. B. gemäß § 19 Abs. 7 BStMG in unbarer Form – entspricht, wird auf diese Weise ein Strafaufhebungsgrund (vgl. dazu allgemein näher E. Steininger, Strafrecht – Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Wien 2013, RN 7 zu Kap. 16) normiert.
Dies bedeutet, dass das an sich strafbare Verhalten des Beschwerdeführers durch nachträglich eingetretene Umstände – hier: durch die versuchte Entrichtung der Ersatzmaut in einer gesetzlich explizit zulässigen, nämlich unbaren Form – straflos wird.
2.5.3. Aus diesem Grund war daher der gegenständlichen Beschwerde im Ergebnis gemäß § 50 VwGVG i.V.m. § 28 Abs. 5 VwGVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 17 VwGVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.
3. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde (vgl. § 66 Abs. 1 VStG) noch ein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (vgl. § 52 Abs. 9 VwGVG) vorzuschreiben.
IV.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist für den Beschwerdeführer gemäß § 25a Abs. 4 Z. 2 VwGG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 letzter Satz B-VG nicht zulässig.
Für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei ist eine ordentliche Revision deshalb unzulässig, weil im Zuge des vorliegenden Verfahrens keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht nämlich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 Z. 2 VwGG eine Revision wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht nur der belangten Behörde bzw. der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. G r ó f
Hinweis:
Dieses Dokument wurde amtssigniert. Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur und des Ausdrucks finden Sie unter: „https://www.lvwg-ooe.gv.at/Das Gericht/Amtssignatur des OÖ. LVWG“.
LVwG-400005/3/Gf/Rt vom 8. Jänner 2014
Erkenntnis
Rechtssatz
§ 19 Abs. 2 BStMG;
§ 19 Abs. 7 MautO;
§ 20 Abs. 3 BStMG;
Teil A Pkt. 10.3.4 MautO;
Anh. 2 Pkt. 2.1 MautO;
§ 20 VStG
* Geht die belangte Behörde davon aus, dass die Entrichtung der Ersatzmaut nur daran scheiterte, dass das vom Mautaufsichtsorgan verwendete Lesegerät für die Kreditkarte nicht funktionstüchtig war, hat es nicht der Bf., sondern vielmehr die ASFINAG zu vertreten, dass die Entrichtung der Ersatzmaut nicht in einer von der Rechtsordnung explizit für zulässig erklärten Form erfolgen konnte (bzw. hätte es der belangten Behörde oblegen, einen Nachweis dahin zu führen, dass das von Aufsichtsorgan verwendete Kartenlesegerät ohnehin funktionsfähig war; dass der Rechtsmittelwerber tatsächlich gar nicht dazu bereit war, die Ersatzmaut zu bezahlen; o.Ä.);
* Indem § 20 Abs. 3 BStMG anordnet, dass (u.a.) Taten gemäß § 20 Abs. 1 straflos werden, wenn der Mautschuldner (u.a.) nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 BStMG der Aufforderung zur Zahlung der in der MautO festgesetzten Ersatzmaut – z. B. gemäß § 19 Abs. 7 BStMG in unbarer Form – entspricht, wird ein Strafaufhebungsgrund (vgl. dazu allgemein näher E. Steininger, Strafrecht – Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Wien 2013, RN 7 zu Kap. 16) normiert; dies bedeutet, dass das an sich strafbare Verhalten des Beschwerdeführers durch nachträglich eingetretene Umstände – hier: die versuchte Entrichtung der Ersatzmaut in einer explizit zulässigen, nämlich unbaren Form – straflos wird.
Beschlagwortung:
Kreditkarte; Kartenlesegerät – Verantwortlichkeit für dessen Funktionstüchtigkeit; Strafaufhebungsgrund
[1] Abrufbar unter http://www.asfinag.at/maut/mautordnung/archiv